Kleine Gesten, große Wirkung: Minimalistische Beziehungspflege mit Carolyn Litzbarski

Kleine Gesten, große Wirkung: Minimalistische Beziehungspflege mit Carolyn Litzbarski

Heute ist Carolyn Litzbarski bei mir zu Gast. Carolyn ist Beziehungscoach und unterstützt Menschen dabei, holprige Phasen auf ihrer Beziehungsreise zu überwinden.

Wir haben darüber gesprochen, warum kleine Dinge für eine Beziehung oft mehr bringen als große Aktionen, wie du es schaffst, dich aktiv um deine Beziehung zu kümmern und wie dir Journaling dabei helfen kann.

Nicht nur bei Klamotten, Küchenutensilien oder Klimbim, sondern auch in der Beziehungspflege gilt: Weniger ist mehr!

Shownotes:

Carolyn Litzbarski Beziehungsjournal 2
Carolyn Litzbarski Beziehungsjournal 1

Transkript

Marion
Hallo, liebe Carolyn. Schön, dass du da bist. Herzlich willkommen im Frugales-Glück-Podcast.

Carolyn
Liebe Marion, Vielen Dank, dass ich da sein darf. Ich freue mich auf unser Gespräch.

Marion
Ich mich auch! Magst du zum Anfang mal sagen, wer du bist und was du so machst?

Carolyn
Ich bin Carolyn. Ich bin hier im Landkreis München und ich arbeite als Beziehungscoach. Ursprünglich bin ich Sozialpädagogin und habe mich aber vor ein paar Jahren auf das Thema Beziehungen spezialisiert, mache da Kurse, ein bisschen noch Coaching und schaue auch, was es für Produkte gibt für Menschen, die zum Beispiel gerade in Übergangsphasen ein bisschen Inspiration brauchen.

Marion
Ja, spannend. Wir wollten ja über minimalistische Beziehungspflege sprechen. Was sind da so große Fehler, die du siehst bei den Leuten? Was wird da so normalerweise falsch gemacht in Beziehungen, also gerade auch in Liebesbeziehungen?

Carolyn
Ja, ich glaube, manchmal, wenn ich es auch zum Thema Minimalismus da versuche, eine Brücke zu schlagen, ich glaube, manchmal wollen wir so zu viel. Das ist so eine Sache, die ich beobachte. Also manchmal überladen wir Beziehungen oder wir überladen die Erwartungen an einen Partner oder eine Partnerin. Da habe ich mal einen ganz inspirierenden Satz gehört: „Wir wollen nicht nur irgendwie mit unserem Partner einen Liebhaber und noch besten Freund und noch spirituellen Guru und Mentor und am besten vielleicht noch Businesspartner oder Mitgründer/Mitgründerin. Wir wollen einfach so viel, viel zu viel. Das ist so irgendwie die Tragik in der neuen Zeit. Und das andere ist neben zu viel, aber es hat vielleicht auch mit zu viel zu tun, manchmal müssen wir nicht die richtigen Stellschrauben, weil wir so viele Optionen haben und weil wir uns irgendwie auch ganz viel gezeigt wird, was wir noch machen könnten in unserer Beziehung. Und ich glaube, dann verharren wir irgendwie entweder so nichts tun. Und das Klassische, was ich dann erlebe bei Beziehungen, die dann schon so richtige Gebrauchsspuren haben, ist, dass man über Jahre eher nichts tut beziehungsweise nichts Beziehungspflegendes. Also so, als ob man jetzt nie Zähne geputzt hat in der Beziehung und dann hat man danach diese Folgeerscheinungen.

Und das passiert leider im Alltag, da ist die Beziehung auch prädestiniert dafür, denn wir haben so viel zu tun in unserem Alltag mit Arbeit und wenn wir dann noch Familie haben oder unsere Selbstverwirklichung und unsere Hobbys, dann wird der Beziehungspartner oder die Beziehung allgemein oft in so eine Ecke gestellt, weil die ist halt sowieso ja da und wir gehen davon aus, die geht nicht weg und der Beziehungspartner bzw. -partnerin geht nicht weg und dann fließt so viel Zeit und Energie in andere Dinge, aber halt nicht dahin, wo es eigentlich förderlich wäre.

Marion
Also es wird so als selbstverständlich genommen. Wenn ich noch mal zurückkommen darf zu dem ersten Punkt, das finde ich interessant. Den Fehler habe ich nämlich auch schon gemacht, dass ich von der Beziehung genau das alles erwartet habe: Bester Freund, inspirierende Person, Ratgeber im Business und so weiter. Dann gibt es ja andererseits so eine Richtung, die eigentlich sagt: „Das ist die engste Person, die man hat und das sollte schon so eine Art Symbiose sein.“ Welcher Meinung bist du da?

Carolyn
Symbiose ist tatsächlich etwas, was aus paartherapeutischer Sicht eher kritisch ist. Also wenn es zu nah ist, dann ist das leider nicht nachhaltig. Es gibt da so ein schönes Bild mit den Beziehungskreisen. Also ich habe hier meinen Kreis und dann ist der Kreis des anderen und wenn das zu sehr überlappt, dann wäre das so ein symbiotischer Zustand, dann fehlt da der Raum für das Eigene. Und das ist dann tatsächlich etwas, was auf lange Sicht dazu führt, dass sich irgendwann jemand aus der Symbiose lösen möchte. Und dann haben wir so das erste kritische Thema tatsächlich. Also eine Person versucht, sich zu lösen, denn wir Menschen haben in uns auch das Bedürfnis nach Freiraum und nach Individualität. Das spricht dem entgegen, eine Symbiose zu führen. Wir haben in Beziehungen symbiotische Zustände, allerdings nur temporär, zum Beispiel, wenn wir uns verlieben. In dieser ersten Phasen der Verliebtheit, da sind wir ja wirklich so, wir kleben aufeinander, wenn wir uns jetzt nicht in einer Fernbeziehung verlieben. Und da haben wir das für kurze Zeit und jeder, der mal verliebt war und das auch schon eine Welle her ist, der weiß, irgendwann kommt der Punkt, in dem man sich wieder so ein bisschen auch voneinander löst und dann nicht mehr 24/7 miteinander verbringt.
Und das ist ein ganz natürlicher Zustand, den wir auch brauchen als Mensch, der so einen Individualismus auch anstrebt.

Marion
Also eigentlich eher so ein goldener Mittelweg und nicht so viel vom Partner erwarten.
Kommen wir mal zu dem zweiten Punkt, den du genannt hast. Was kann man denn dann konkret machen gegen die Gebrauchsspuren, was kann man tun, um täglich die Zähne zu putzen in seiner Beziehung, um in dem Bild zu bleiben?

Carolyn
Ich versuche mal in der Metapher zu bleiben. Also ich glaube, die ideale Zahnpasta ist zum Beispiel so etwas wie, eine grundsätzliche Dankbarkeit aufrechtzuerhalten, auch wenn das schwer fällt, aber Dankbarkeit als etwas zu nutzen, womit ich meinem Partner und meine Partnerin auch streicheln kann. Wir alle freuen uns über Dankbarkeit. Dankbarkeit auszudrücken oder zu zeigen, fällt uns an einem gewissen Punkt in der Beziehung schwer, und zwar nämlich dann, wenn ich das Gefühl habe, mein Investment ist größer als das des anderen oder meine Arbeit oder meine Mühen werden als selbstverständlich wahrgenommen. Genau an dem Punkt ist es schwer, Dankbarkeit bewusst auszudrücken. Genau an dem Punkt ist es aber am förderlichsten, weil sobald wir schon so Gedanken haben wie: „Immer muss ich das machen? Und nein, das ist doch selbstverständlich, dass er das macht, weil ich muss auch immer die Windeln wechseln oder den Müll raustragen.“ Immer wenn wir uns dabei erwischen, dann ist es schon so ein Anzeichen dafür, dass es so ein gewisses Ungleichgewicht in der Beziehung gibt. Und das kann ich nur aufbrechen, indem ich da den ersten Schritt mache. Und auch, wenn es dem Ego wehtut, Dankbarkeit zeige.

Das heißt, danke sagen für die Kleinigkeiten und auch nicht das zu bewerten, dass es so eine Selbstverständlichkeit ist. Ja, natürlich wechselt er jetzt die Windeln, weil dieser und jener Grund. Trotzdem danke sagen. Oder er oder sie bringt mir das Essen. Habe ich selbst auch schon zehnmal gemacht, aber trotzdem danke sagen. Also das ist so etwas, auch wenn es dem Ego wehtut, wenn dir die Beziehung wichtig ist und die Beziehungspflege, dann gehört das tatsächlich auch dazu, wieder ein bisschen Atmosphäre in die Beziehung reinzubringen. Also das ist so das eine, was ich total wichtig finde. Und zur Dankbarkeit, da wird jetzt noch mal ein etwas spaßigeren Gegenpunkt wohl, weil der nicht so schlimm ist fürs Ego, Neugier auch zu bewahren. Das heißt, immer auch diese Haltung einzunehmen, dass ich noch was Neues von meinem Partner oder meiner Partnerin entdecken kann. Und das nach zehn Jahren, nach 20 Jahren, nach 30 Jahren. Gott sei Dank entwickeln wir Menschen uns. Das heißt, selbst wenn ich denke, diese Einstellung von meinem Partner oder meiner Partnerin kenne ich, es gibt eine Chance, dass sich da was verändert hat. Oder es gibt irgendwas, was ich noch nicht vom anderen weiß, denn die Menschen sind auch sehr komplex und dann geht es nur darum, immer diese Neugier zu behalten.

Und Neugier führt nämlich dazu, dass wir uns mehr miteinander beschäftigen und dass wir mehr Fragen stellen, weil wir uns eben auch interessieren für den anderen. Also das so mal als zwei Grundhaltungen in der Beziehung, die ich als sehr förderlich finde und aus denen etwas sehr Positives entstehen kann.

Marion
Das ist supernützlich, ja. Zwei Fragen dazu. Also die Dankbarkeit, kann ich das auch einseitig machen? Reicht das, wenn nur ich die Zähne putze und mein Partner nicht? Weil wenn ich jetzt immer danke sage und er vielleicht ein bisschen … Es gibt ja einige Männer, die halten nicht so viel von diesen ganzen Achtsamkeitssachen und so weiter und die sagen: „Ach, das ist alles schon so gut.“ Also bringt das was, wenn nur ich das mache?

Carolyn
Also grundsätzlich alles, was wir in diese Beziehung einspeisen, alles, was wir so als beziehungsförderlich machen, da ist es ausreichend, wenn eine Person das einbringt, denn ich sage immer gerne, das ist wie so eine Badewanne. Wenn ich immer wieder Wasser reinkippe, ich habe blaues Wasser und die Badewanne hat gelbes Wasser und mit jedem Becher wird sich ein bisschen was verändern. Das heißt, so was gebe ich in den Paarkreislauf rein. Jetzt ist es aber natürlich so, man geht ein bisschen in Vorleistung. Was ich dann oft höre, ist natürlich auch so ein Einwand: „Wann kommt denn jetzt was zurück?“ Und da haben wir leider manchmal, wenn das Thema Zeit betrifft, kann es jetzt sein, dass die Frau oder die eine Person muss öfter jetzt die Dankbarkeit zeigen, bis dann irgendwann mal was zurückkommt. Das heißt, es fühlt sich so länger an, wie man es eigentlich erwartet. Das ist so diese erste Enttäuschung. Und auch daher gilt es, dass du dem Ego weh und trotzdem bleibt man dran. Und das zweite ist, manchmal haben Personen auch eben unterschiedliche Arten, Dankbarkeit auszudrücken und dann fällt es dem einen eben schwerer, danke zu sagen, wir erkennen es aber an anderen. Das erlebe ich dann ganz oft bei Paaren, wenn die Frau eben anfängt, in so eine Intervention zu gehen und so was einzuspeisen, dann plötzlich zeigt der Partner irgendwie Nettigkeiten und die Sachen, über die man sich sonst gestört hat, die werden irgendwie weniger.

Das dauert seine Zeit und gleichzeitig ist es so, da dürfen wir im Vertrauen sein, es wird in irgendeiner Art und Weise, weil wir auch verknüpft sind in einer Partnerschaft, es wird uns irgendwie wieder zugutekommen. Vielleicht auf eine andere Art und Weise, wie wir es erwarten, da dürfen wir auch wieder ganz neugierig schauen, was denn da zurückkommt.

Marion
Das ist interessant. Kann man dann auch ein bisschen beobachten und vielleicht geduldig sein. Ist ja immer eine gute Idee. Und die zweite Frage, die ich stellen wollte zu der Neugier: Welche Frage könnte man denn da noch stellen? Ich habe auch eine neue Beziehung und noch gar nicht so lange und manchmal fällt mir jetzt schon nicht mehr ein, was könnte ihr denn jetzt noch sagen? Was könnte ich fragen?

Carolyn
Ja, erst mal voll schön. Das heißt, da bist du ja auch noch so im ganz Neuentdecken, vermutlich. Ich würde es ganz einfach machen. Also theoretisch klar, wenn du jetzt mal googelst, 36 Fragen zum Verlieben, dann sind das auch ganz tolle Fragen, zum Beispiel, „Was wärst du lieber? Ein 90-Jähriger im Körper eines 19-Jährigen oder umgekehrt?“ Also so ist eine Frage, aber ich würde es gar nicht so verrückt machen. Eine ganz tolle Frage den Alltag und auch für jeden Beziehungsstatus ist erst mal so eine Frage: Was beschäftigt dich gerade? Das ist ganz einfach, ganz schlicht. Damit erhalten wir einen Blick. Das ist ein bisschen weniger ausgelutscht wie: Was denkst du gerade? Sondern einfach: „Was beschäftigt dich gerade. Wo fließt deine Energie hin?“ Und das nächste ist, wenn dein Partner dann mal was erzählt, anstatt dann zu sagen: „Ah ja, okay, interessant – schon wieder das mit der Kollegin oder dem Projekt.“ Stattdessen nachzufragen, so zum Beispiel: „Und was denkst du jetzt darüber?“ Das wäre so eine Frage, noch mal so einfach mehr zu erfahren und damit können wir im Alltag schon mal neue Kommunikationswege öffnen. Das heißt, das sind so Ideen, also grundsätzlich auch dieses Nachfragen bei einer Sache, anstatt zu kommentieren oder einen Ratschlag zu geben.

Das ist so das eine und einfach diese Frage: „Was beschäftigt dich gerade?“ Oder auch sehr schön und auch sehr alltagskompatibel: „Worauf freust du dich in nächster Zeit?“ Das sind so einfache Fragen, die ich gerne mag, ohne dass man sich so viel überlegen muss. Das sind so meine Fragen und die gehen halt immer. Die kann man jetzt immer wieder auch mal stellen. Das kann man als Wochenritual machen am Sonntag: „Worauf freust du dich in dieser Woche?“

Marion
Ja, super. Würde ich heute direkt anwenden.

Carolyn
Schön. Gib mir Bescheid, wie es lief.

Marion
Ja. Und du hast ja so ein Beziehungsjournal erstellt. Erzähl doch darüber mal. Was ist das und wie funktioniert das?

Carolyn
Ich habe in meiner Beziehung gemerkt, dass ich … Nein, ich muss anders anfangen. Ich habe das Journaling aus einem anderen Kontext angefangen Und zwar habe ich mit dem Beginn meiner Selbstständigkeit einen Erfolgsjournal geführt. Meine Idee war, dass ich jede Woche einfach reflektiere: Was war denn gut? Und dass ich so jede Kleinigkeit und auch so relativ kleine Kleinigkeiten, wie „Ich habe ein Telefonat gut gemacht und ich habe mich selbstbewusst gefühlt. Also sowas aufzuschreiben. Meine Idee war, dass ich mich damit immer wieder auch ein bisschen ausrichten kann und sollte ich mal wenig Selbstbewusstsein haben oder mal zögern, irgendwie was zu machen, dann kann ich in das Erfolgsjournal schauen. Und dadurch habe ich gemerkt, hat sich meine Perspektive geändert. Also ich habe jede Woche so automatisch, anstatt zu schauen: „Boah, was habe ich jetzt schon wieder nicht geschafft? Und wieder stimmt der Umsatz nicht und schon wieder hat eine Akquise nicht funktioniert oder eine Projektidee irgendwie flöten oder ist so im Sand verlaufen.“ Stattdessen habe ich gedacht: „Hey, wow, schon wieder was Cooles. Ja, cool, schon wieder einen Mini-Erfolg.“ Und dann habe ich mir gedacht: „Moment, genau das bräuchte ich eigentlich für meine Beziehung, denn ich habe da nach den Jahren ein ähnliches Empfinden.“

Ich sehe oft nur noch das Negative und so geht es vielen Menschen, mit denen ich arbeite. Ich arbeite viel mit Frauen, deshalb bin ich oft immer so sehr eben auf diesen Sie-Er-Konstellationen. So geht es vielen Frauen, mit denen ich arbeite. Da steht man auf und man sieht, da liegen die Socken und dann ist das wieder nicht weggeräumt und das macht ja was mit uns. Und dann habe ich mir gedacht, eigentlich, es gibt viele paar Therapieinterventionen, die gehen direkt in diese Richtung, Perspektiven zu verändern. Warum nicht so ein Journaling nutzen oder so eine Art Liste führen, die Perspektive zu ändern? Und das habe ich dann gemacht für mich und meine Beziehung und ich habe dann echt auch erst mal ganz popelige Kleinigkeiten aufgeschrieben. Meiner meiner ersten Einträge war: „Mein Partner schneidet mir die Hälfte seiner Banane in die Haferflocken.“ Also so was ganz Kleines, aber es ging halt darum, diese Perspektive aufzunehmen. Und das war dann der Startpunkt für das Beziehungsjournal und dann dachte ich: „Moment, ich möchte jeder gerne ein bisschen mehr. Ich möchte, dass Menschen mit kleinen, kleinen Mitteln und mit wenig Zeit genau das machen, was die ich wichtig finde für eine Beziehung: Neugierde, Dankbarkeit, Bewusstsein.

Und daraus habe ich dann das Journal entworfen und ich habe mich in vielen Sachen ein bisschen an dem Bullet-Journaling orientiert. Man kann Gewohnheiten tracken, habe einen ganz einfachen Wochenrückblick, den man in 15 Minuten, theoretisch auch in fünf Minuten, mit weniger Eintragungen machen kann und der einen aber ausrichten soll, der Dankbarkeit in die Beziehung holen soll, mit dem man wichtige Fragen klären kann Ich habe auch einen Frageteil in dem Beziehungsjournal. Also wenn man sich mit Mehrzeiten noch mal damit beschäftigen möchte, aber die Grundidee ist so mit wenig, mit 15 Minuten in der Woche viel Impact für die Beziehung. Und dann habe ich so in der Weite daran getüffelt und im letzten Jahr ist es dann entstanden.

Marion
Cool. Und du hast jetzt ja schon einiges genannt. Zum Beispiel: „Ich stehe jetzt auf und was trage ich dann ein?“ Ist das dann so praktisch oder im Tagesverlauf?

Carolyn
Das Journal ist so gemacht: Es ist ein Wochenrückblick. Das heißt, das Minimalziel, dass du einmal in der Woche – ich schaue es mal parallel hier auf, dass du einmal in der Woche dich hinsetzt. Du kannst es auch täglich machen. Und dann ist die eine Frage ganz praktisch: Was habe ich gemacht? Was haben wir erlebt? Und die Frage: Was habe ich gelernt? Denn es geht ja auch darum, dass wir wachsen in der Beziehung und aus jedem Konflikt kann ich ja lernen. Oder wenn es mal wieder eine Irritation gab oder da war mal wieder das und das. Nach einer Weile erkennt man auch so Muster: „Ach, ich ärgere mich immer da und im Konflikt passiert immer das.“ Das ist dann diese Spalte dafür. Dann gibt es eine Dankbarkeitsspalte. Das heißt, das kann man dann so auflisten. Wenn man das täglich führt, klar, dann kann man jeden Tag eine Sache aufschreiben, von der man dankbar ist. Ich gehe immer davon aus, so ein bisschen weniger. Das heißt, einmal die Woche dann in die Rückschau gehen und dann eben sammeln, wofür man dankbar ist. Das ist auch ein sehr schöner Effekt, sich am Sonntag eben zu überlegen: „Okay, am Montag war das, am Dienstag war das“, und dann seine Eintragung zu finden.

Man kann noch das Beziehungs-Highlight eintragen. Man kann noch zum Beispiel ein Emoji des Tages verwenden. Das ist dann noch mal ganz einfach zu überlegen: „Wo war es jetzt vielleicht ein bisschen, vielleicht war es wolkig, wo gab es einen Tränen-Emoji oder wo gab es ein Lachtränen-Emoji“, so was. Das ist ein Teil. Wenn man aber täglich, wer Lust hat täglich was zu tracken, der kann natürlich mit dem Prinzip Habit Tracker auch arbeiten. Das heißt, es gibt so eine Spalte beziehungsförderliche Habits.

Marion
Interessant.

Carolyn
Ja, zum Beispiel könnte man jetzt sagen, wir haben jetzt so ganz klassisch eine Redezeit von x Minuten am Tag, haben wir das eingehalten, oder, aber – ich empfehle auch jedem einfach ganz einfach zu starten: „Überlegt euch mal ein Begrüßungsritual, ein ganz kleines. Also eine Frage zu Begrüßung oder eine Frage zur Verabschiedung. Und dann kann man das dann jeden Tag tracken, diese Gewohnheit, also daraus auch diese Routine zu machen, die wir einfach automatisch machen.

Marion
Und was sind noch so andere Habits? Die Habits interessieren mich.

Carolyn
Ja, gerne. Also ich schlage es mal parallel auf: Umarmungen und Körperkontakt. Also ich bin ein großer Fan von diesen Sieben-Sekunden-Umarmungen.

Marion
Warum sind das genau sieben Sekunden?

Carolyn
Weil es einfach ein paar Sekunden mehr sind, wie wir es gewohnt sind. Aber wenn du sonst in der Umarmung verharrst, dann könnte man so auf drei bis vier Sekunden kommen. Und diese extra drei Sekunden, die führen dazu, dass es sich eben … Also du hast jede Sekunde Körperkontakt tut einfach gut, schüttet auch Oxytocin aus und der nächste Effekt ist, es ist einfach, es ist wie so ein kleiner Stolperer in deinem Alltag. Wir umarmen jemanden vielleicht mal ganz kurz, wenn überhaupt, aber wenn man sich umarmt, dann halt voll oft eher kurz, automatisiert und mit diesen extra drei Sekunden ist es so wie: „Moment, das ist jetzt was anderes.“ Das Gehirn stolpert darüber, dann wird es wieder anders wahrgenommen, wieder bewusster wahrgenommen und dann haben wir eben einen schönen, kleinen Anker im Alltag. Dann könnte man sich mal überlegen, eine Screen Free Challenge als eine Routine einzuführen.

Das passt zu deiner letzten oder vorletzten Podcast-Folge, habe ich auch angehört, sich da mal was vorzunehmen. Und dann ist es so, jedes Paar kann das natürlich selbst für sich in seinem Alltag integrieren. Also Check-in ist auch so was Schönes, das kennt man vielleicht, einmal die Woche oder täglich – ich bin hier wieder auch der Fan von einmal die Woche einzuchecken. Da habe ich ein paar Leitfragen auch im Journal, zu überlegen: „Okay, wo stehen wir?“ Man kann Wochen Check-in machen. „Worauf freust du dich? Was war dein Highlight in dieser Woche?“ Und das als Ritual zu machen und dann einfach jede Woche zu sagen: „Wir hocken uns dafür die Zeit X zusammen, mit ein paar Leitfragen.“

Marion
Was hältst du von diesem – das ist, glaube ich, auch so eine Paartherapie-Geschichte –, dieses sich mit dem Rücken aneinandersetzen und eine Person spricht irgendwie eine halbe Stunde lang, während die andere nur zuhört?

Carolyn
Also generell, wenn wir natürlich mal so eine Kommunikation haben, in der es formalisiert oder in der es geregelt ist: „Ich rede und du schweigst und hörst zu“, dann ist das erst mal auch eine interessante Erfahrung. Das kann man machen. Ich kenne jetzt nicht viele Paare, bei denen dann wirklich beide sagen würden: „Ja, das machen wir auf jeden Fall mit … Ich kenne schon Paare, die würden das machen und das würde sicherlich vielen guttun. Es wird ganz oft aber jemand in der Beziehung geben, der sagt: „Okay, das ist von mir ein bisschen komisch für mich. Ich mag das nicht.“ Und ganz oft können wir diesen Part, der da eher so ein bisschen vorsichtiger mit diesen besonderen Sachen, den können wir eher ins Boot holen mit ganz einfachen Sachen, wie: „Hey, sag mir doch mal, worauf du dich freust. Sag mal, was beschäftigt dich denn?“ Ich hole jetzt nicht die Gesprächskarten raus oder was auch immer und wir schauen uns noch nicht in die Augen. Wir machen es ganz einfach. Und das ist dann oftmals, gerade wenn man sich neu mit der Beziehung beschäftigt, dann ist so was einfacher. Aber wer advanced ist und wer merkt, so kleine Sachen, die funktionieren gut und beide verlieren die Berührungsängste, der kann das natürlich auch mal machen.

Redezeit, nur mit zuhören, vielleicht jetzt nicht mit 30 Minuten anfangen. Das ist schon viel. Vielleicht nur eine Person. Das ist schon viel. Drei Minuten vielleicht und dann kann man das natürlich auch machen.

Marion
Ja, aber das ist schön, dass du immer wieder dieses „weniger ist mehr“ ansprichst, also dass es eben auch einfacher geht. Und wenn man mal darüber nachdenkt, wie oft fragt man seinen Partner tatsächlich, worauf er sich freut. Ich finde, das ist echt eine schöne Frage, die man auch selbst gerne gestellt bekommt. Also wenn mich jemand so was fragt, dann würde ich sofort mich freuen und gerne irgendwas darüber erzählen. Was hat denn bei dir … Du hast gesagt, du hast dir das auch selber ausgedacht, weil du hast ja ein Kind auch bekommen – neulich, wollte ich sagen, vor nicht so langer Zeit – und hast du gemerkt, machst du das auch selbst und was hat das an deiner Beziehung verändert?

Carolyn
Ich habe schon vor dem Kind eben angefangen. Ich habe gemerkt, die Beziehung rutscht immer so runter, einfach so im Elfer des Gefechts, weil ich viel gearbeitet habe, weil ich eben auch die Selbstständigkeit passiert habe, weil da mein Kopf und meine Energie da reingeflossen ist. Und ich würde sagen, ich bin die Person in meiner Beziehung, die am ersten … Ich habe mal so im Social Media Post gesagt, es gibt so den Kompass und es gibt irgendwie so den Fels und das eine, das gibt so den Ausschlag und weist immer darauf hin und der Fels bleibt der Fels und beides ist voll wertvoll. Und ich bin eher die Person, die dann merkt: „Da stimmt was nicht und das passt nicht und wir sollten das machen und bin dann so mit dem Kompass drinnen. Dementsprechend bin ich immer diejenige, die Probleme auch detektiert und bemerkt und anspricht und habe dann eben gemerkt, das ist schon eine sehr negative Sicht und das ist jetzt auch, obwohl ich Sozialpädagogen bin, nicht sehr ressourcenorientiert. Und das hat sich durch ein Jahr Journaling enorm verändert, also dass ich in meinem Alltag trotzdem hier diese kleinen Sternstunden, Sternsekunden merke. Das fand ich so das Positivste daran.

Ich habe in vielen Situationen dann auch gemerkt, ich kann viel schneller irgendwie mich auch rausholen, also anstatt ich merke die Problemsicht und kann mich dann aber rausholen und kann mich dann bewusst entscheiden, dass ich mich jetzt nicht darüber ärgere, dass die Spülmaschine nicht ausgeräumt ist. Und das hat einfach sehr, sehr gut getan. Ich glaube, das war so die ideale Vorbereitung auch jetzt für das Thema von Paar zu Eltern werden. Das finde ich super. Plus jetzt das Journaling. Ich habe ein paar Wochen dann im Wochenbett ausgesetzt und sobald ich dann wieder die Routine gewonnen habe, habe ich es wieder angefangen und da hat sich dann wieder gezeigt, dass es genau das Richtige war, dass ich immer ganz einfach angesetzt habe mit diesem einmal in der Woche, 15 Minuten, wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe, dann mehr. Und so konnte ich nämlich auch wieder einsteigen und bin jetzt wieder drin. Und das ist wie so ein Anker irgendwie. Also das liegt jetzt da und ich weiß dann, wenn Bevor ich mich ärgere, fallen meine Augen wieder darauf, dann liegt es da und ich kann dann wieder was reinschreiben oder ich könnte theoretisch auch herumblättern und das gibt mir auch ganz viel Sicherheit im turbulenten Beziehungsalltag.

Marion
Toll, ja. Ja, das ist wirklich eine schöne Sache. Also mir gefällt gerade daran, dass das so leicht umsetzbar macht, dieses „An Beziehungen muss man arbeiten.“ Das ist nichts: Man verliebt sich und dann läuft das alles von selbst und man nimmt das so als selbstverständlich, aber eigentlich man muss ja wirklich was dafür tun. Das wissen auch viele Leute, aber was man dann genau tun muss, na ja, dann weiß man das schon nicht mehr. Und das ist eben so eine ganz einfache Methode: Wenig Zeitaufwand, man muss nicht viel Geld ausgeben, da irgendwelche Therapien zu machen oder so, superleicht in den Alltag umsetzbar und wenn dann jemand sagt: „Ich habe keine 15 Minuten Zeit in der Woche“, dann … Entschuldigung, das ist immer gerne eine Ausrede: „Dafür habe ich keine Zeit“, aber wer keine 15 Minuten Zeit hat in der Woche für seine Liebesbeziehung, was ja schon ein sehr wichtiger Teil des Lebens ist.

Vielen Dank, Carolyn. Das war superspannend, was du erzählt hast. Wo können jetzt die Zuhörer:innen dich und dein Journal finden? Und du hast ja auch einen Podcast. Erzähl doch darüber noch mal ein bisschen was, bitte.

Carolyn
Ja, gerne. Also ich bin in der Regel auf Instagram zu finden, einfach mit meinem Vornamen unterstrichen Nachnamen, Carolyn Litzbarski, wobei ich seit einer Woche Instagram-Pause mache, aber ich möchte wiederkommen, aber ich wollte jetzt auch ein bisschen bewusster konsumieren. Also da kann man reinschauen. In meinen Stories versuche ich auch immer mal so ehrlich, meinen Beziehungsalltag irgendwie zu zeigen, mit allen Höhen und Tiefen.

In meinem Podcast Beziehungsstark geht es um viele Dinge, unter anderem um Beziehungen. Es geht aber auch darum, wie wir Grenzen schaffen können, wie wir insgesamt innerlich und äußerlich stark auftreten können. Da auch sehr gerne vorbeihören und ansonsten gibt auf meiner Seite auch noch einen Blog. Es gibt auch ein Gesprächssheet zum Einsteigen. Also da sehr gerne vorbei schauen.

Marion
Sehr schön. Das verlinke ich natürlich alles in den Shownotes. Dann danke ich dir, dass du da warst. Alles Gute dir, Carolyn.

Carolyn
Vielen Dank, Marion, und danke für das Gespräch.
Minimalistisch leben
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Marion

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