Intuitiv essen lernen – Komplettanleitung für Anfänger:innen

Intuitiv essen lernen – Komplettanleitung für Anfänger:innen

Du bist ständig auf Diät und reglementierst dein Essen? Du zwingst dich zum Sport und fühlst dich in deinem Körper trotzdem nicht wohl? Du isst niemals das, worauf du Lust hast?

Eine Loose-loose-Situation, in der auch ich viele Jahre feststeckte.

Dabei ist intuitiv essen lernen und ein entspanntes Verhältnis zum Essen zu finden kein Hexenwerk, wenn du dir gibst, was du brauchst. Ich zeige dir, wie du mit intuitivem Essen anfangen und dein Essen endlich wieder genießen kannst.

❗Dieser Beitrag ist nicht mehr aktuell.❗

Denn: Intuitiv essen funktioniert für die meisten Menschen nicht. 

Warum ist das so? Und was kannst du tun, damit Essen zu einer Nebensache wird und du dich endlich in Jeans schön findest?

Diese Fragen (und vieles mehr) beantworte ich auf Schlanke Gedanken. Schau doch mal beim Blog vorbei oder höre in den Podcast rein. Bis gleich! 🫶

1. Jede:r kann intuitiv essen lernen!

Als ich noch in Russland Deutsch unterrichtete, traf ich mich abends mit Studierenden in einem Café. Einige Studentinnen teilten sich zu sechst eine Pizza und ließen zwei Stücke übrig. Mir war das unverständlich. Ich fragte eines der Mädchen, ob es denn die Pizza nicht mehr essen wolle. Es zuckte nur mit den Schultern und sagte, dass es keinen Hunger mehr habe.

Das Essverhalten intuitiv essender Menschen gab mir stets Rätsel auf.

Ich konnte nie verstehen, wie man sich fast ausschließlich von Süßigkeiten ernähren und trotzdem gertenschlank sein kann. Ich nahm schon zu, wenn ich Schokolade und Kekse nur ansah.

Es war mir auch rätselhaft, wie es diesen Menschen gelang, rechtzeitig mit dem Essen aufzuhören und nicht so lange weiterzuessen, bis der Magen drückte. Besonders bei fettigen Gerichten mit einem geringen Volumen. Eine Zeitlang ging ich davon aus, dass intuitiv essende Wunderwesen mit besonders empfindlichen Magensensoren ausgestattet sind, die dem Gehirn sofort mitteilen, wenn eine bestimmte Kalorienanzahl erreicht wurde.

Weitere unglaubliche Eigenschaften intuitiv essender Menschen:

  • Sie lehnen Essen aus freiem Willen ab, ohne sich selbst zu kasteien.
  • Sie essen einen oder mehrere Tage viel und nehmen an den Tagen darauf automatisch weniger zu sich.
  • Sie haben eine Dose selbst gebackener Kekse von der Oma zuhause und vergessen sie einfach.
  • Sie trinken Saft, ohne sich Gedanken über leere Kalorien zu machen.

Ich war immer überzeugt, nie so werden zu können. So, als ob mir eine Eigenschaft oder Superkraft fehlte. Einige Menschen können schnell laufen, sind gut in Mathe oder haben halt kein Problem mit dem Essen.

Heute glaube ich das nicht mehr.

Heute bin ich davon überzeugt, dass wir alle von Natur aus intuitiv und unbeschwert essen.

Man kann das am Essverhalten kleiner Kinder beobachten:
Sie essen, wenn sie Hunger haben. Sie essen das, was ihr Körper benötigt. Sie hören auf, wenn sie satt sind.
In Kombination mit dem ständigen Herumrennen und Toben ist es nur schwer vorstellbar, dass Kinder dick werden.

Intuitiv essen lernen: Her mit der Pizza!

2. Warum verlernen wir, intuitiv zu essen?

Warum verlernen wir intuitives Essen? Warum sind immer weniger Menschen intuitive Esser:innen?

Im Laufe des Erwachsenwerdens verlieren wir den Kontakt zu unserem Körper – und oft auch zu unseren Gefühlen. Das Einzige, das wir noch spüren, sind die Gedanken in unserem Kopf.

Wir werden zu Lollistielen mit Kopf darauf.

Hinzu kommen weitere Faktoren:

  • Ungesunde Gewohnheiten wie ständiges Snacken, Verzehren großer Mengen verarbeiteter Lebensmittel und Fast Food, zu wenig Bewegung und Dauersitzen.
  • Überangebot von Lebensmitteln und Verführungen (Teilchen vom Bäcker, billige Süßigkeiten)
  • Dick machende Glaubenssätze:
    • Ich muss den Teller leer essen.
    • Ich muss frühstücken.
    • Ich muss Sport machen. (Und esse als Trost dafür, dass ich überhaupt keine Lust hatte, doppelt soviel, wie ich an kcal verbrannt habe.)
  • Stress
  • Emotionales Essen: Essen als Belohnung, Trost oder aus Langeweile beginnt oft im Kindesalter.
  • Diäten und Essverbote. Die Einteilung in gute und schlechte Lebensmittel erzeugt Heißhunger auf „verbotene Lebensmittel“, die dann bei Essanfällen oder Heißhungerattacken umso gieriger verschlungen werden.
Intuitiv essen lernen – Komplettanleitung für Anfänger:innen - Die Fixierung auf Gedanken lässt uns zu Lollis werden.

3. Teufelskreis aus Diäten, Verboten und Heißhunger

Um abzunehmen, werden Diäten gemacht.

Diäten erzeugen ein gespanntes, unnatürliches Verhältnis zum Essen. An die Stelle von Intuition und Körperintelligenz treten Kontrolle und Reglementierung.

Viele haben die Idee: Wenn ich nur diszipliniert genug bin, mich zusammenreiße – dann werde ich dünn.

Die Konsequenz ist übertriebener Perfektionsmus und ständiger Druck, „richtig“ zu essen.

Wer zu emotionalem Essen neigt, gerät leicht in eine Spirale aus Zwang, Kontrolle und Heißhungerattacken.

Das kann dann so aussehen:

Du möchtest mit Kalorienzählen abnehmen und hast dir ein Tagesbudget von 1500 kcal gesetzt. 
Die ersten Wochen läuft es gut. Dann hast du einen stressigen Tag, streitest dich mit deinem Partner und auf der Arbeit läuft es auch nicht so toll. Nach dem Abendessen bist du zwar körperlich satt, aber unbefriedigt. Vielleicht sind 1500 kcal doch zu wenig für dich? Du nimmst dir noch einen Nachtisch. Dein Kalorienbudget ist überschritten, aber du möchtest noch mehr. Und greifst zur Schokolade. Und nimmst noch ein paar Kekse. Und noch mehr Schokolade. Eis ist auch noch da…
Du hast aufgehört, mitzuzählen. Morgen hältst du dich wieder streng an deine Tageskalorien und planst eine zusätzliche Sporteinheit ein.

Wie findest du aus dieser Spirale aus Verboten, Zwang und Heißhunger wieder heraus?

4. Intuitiv essen lernen: Zurück zu einem unbeschwerten Essverhalten

Es mag paradox klingen.
Aber die Grundlage für einen langfristigen Frieden mit dem Essen und ein unbeschwertes Essverhalten ist das Aufgeben aller Kontroll- und Zwangsmaßnahmen.

Dazu gehören:

  • Kalorien oder Punkte zählen;
  • Fasten;
  • andere Regeln, die die Menge und Art der Lebensmittel, die du zu dir nimmst, einschränken;
  • Sport machen, um Kalorien zu verbrennen;
  • Spazierengehen mit Schrittzähler.

Waaas?
Ich soll nicht mehr auf das achten, was ich esse?
Dann nehme ich ja erst recht zu!

So habe auch ich lange auf die Vorstellung reagiert, das Kalorienzählen sein zu lassen.

Aus meiner jetzigen Erfahrung kann ich dir sagen:
Alles, was du unternimmst, um abzunehmen, was „im Außen“ ist, nicht aus dir, aus deinem Inneren kommt und in Einklang mit dir selbst steht, wird dir langfristig nicht dabei helfen, ein entspanntes Essverhalten zu erreichen.

Aber der Verzicht auf äußere Kontrollmaßnahmen ist erst der Anfang, um intuitiv essen zu lernen.

Damit intuitiv essen klappt, braucht es mehr als das, denn Essverhalten ist ein hochkomplexer Sachverhalt, in den viele Faktoren mithineinspielen und der zutiefst mit unserem Inneren und unserer Persönlichkeit verbunden ist.

Darum vertrete ich einen ganzheitlichen Ansatz, der Körper, Verstand und Psyche miteinbezieht.

Um ein:e intuitive:r Esser:in zu werden und endlich unbeschwert zu essen, verbündest du dich mit allen deinen Elementen:

Körper
Du lernst, Kontakt zu deinem Körper herzustellen und dich auf seine Signale zu verlassen.
Wie fühlen sich Hunger und Sättigung an? Wie viel musst du essen? Wie findest du heraus, welche Lebensmittel dir gut tun?

Psyche
Hier geht es um deine Gefühle.
Du arbeitest daran, deine Gefühle zu erkennen und anzunehmen. Wenn du deine seelischen Bedürfnisse stillst und dir gibst, was du brauchst, musst du nicht mehr aus emotionalen Gründen essen.

Verstand
Mithilfe deines Verstands hinterfragst du deine Glaubenssätze, setzt dir Ziele und arbeitest an deinem Selbstbild und deiner Identität.
Du implementierst wohltuende Gewohnheiten und Routinen.
Hierzu gehören u.a. ein Mahlzeiten-Gerüst, Standard-Lebensmittel, Essen für unterwegs und Vorkochen.

4.1 Körper

Hast auch du die Verbindung zu deinem Körper verloren und bist zu einem Lollistiel mit Kopf darauf geworden?

Natürlich sieht sich niemand gern als Lollistiel.

Aber vertraust du deinem Körper? Oder siehst du ihn als gieriges Etwas, das permanent essen und nur herumliegen möchte?

Wenn ich mich nicht zusammenreiße, bin ich nicht mehr zu stoppen und fresse alles in mich hinein!

Theorien intuitiven Essens beruhen auf der Annahme, dass der Körper unsere Nahrungsaufnahme steuert.
Es sind Signale deines Körpers, die dir sagen, ob du hungrig oder satt bist und welche Lebensmittel du in welcher Menge brauchst.

Wer Kinder beim Essen beobachtet, weiß, was gemeint ist.
Selbst Kinder, die zulangen wie Scheunendrescher, essen wählerisch und suchen sich genau das aus, was ihr Körper braucht.
Meine Tochter legt Schokolade oder Kekse einfach zur Seite, wenn ihr nicht danach verlangt.

Die Stimme deines Körpers ist leise. Sie spricht nicht so laut und klar zu dir wie deine Gedanken.

Wie schaffst du es, die Stimme deines Körpers zu hören?

a) Magen spüren

Mir hat vieles dabei geholfen, intuitives Essen wieder zu lernen.
Ein echter Augenöffner war jedoch das Spüren meines Magens.

Hä? Ich fühle doch jeden Tag nach dem Essen meinen Magen?

Das dachte ich auch.

Aber das erste Mal wirklich spürte ich meinen Magen in der Schwangerschaft. Im letzten Trimester drückte meine Tochter von unten gegen den Magen, was dazu führte, dass ich ein paar Bissen aß – und satt war.
Ich war nicht nur satt, ich wollte nichts mehr essen.

Das war das erste Mal in meinem Leben, dass mir nicht nach mehr Essen verlangte.

Nach einer Mahlzeit fühlte ich mich angenehm gesättigt, aber nicht voll.
Es hatte 34 Jahre gebraucht, um diese Erfahrung zu machen.

Aber du musst nicht schwanger werden, um deinen Magen spüren zu lernen.

Ein weiteres Aha-Erlebnis hatte ich, als ich mit Ashtanga Yoga begann.

Damals ging ich nachmittags zum Yoga. Obwohl ich dachte, ein leichtes Mittagessen zu mir genommen zu haben, fühlte sich mein Magen noch um 17 Uhr unangenehm voll an.

Ich begann zu verstehen, dass meine Portionen schlicht zu groß waren. Was in meinen Augen ein kleiner Snack war, füllte meinen Magen bereits ganz gut.

Irgendwo schnappte ich auf, wie ein Yogi isst: Ein Drittel des Magens wird mit Nahrung gefüllt, ein Drittel mit Flüssigkeit und das letzte Drittel wird freigelassen. Dieses Prinzip ist auch als Hara hachi bun me bekannt.

Jede Art von Bewegung und Sport hilft dabei, deinen Körper besser zu spüren. Du brauchst nicht gleich ein Yogi oder eine Yogini zu werden. Schon bewusstes, tiefes Atmen stellt eine Verbindung zu deinem Körper her.

Übung:
Gehe nach dem Essen eine Runde spazieren. Wie fühlst du dich? Wie fühlt sich dein Magen an? Bist du angenehm satt oder unangenehm voll? Macht dir die Bewegung Freude oder würdest du lieber auf dem Sofa liegen?
Ist letzteres der Fall, iss das nächste Mal bewusst weniger und wiederhole die Übung.

b) Bodyscan

Der Bodyscan kommt aus der buddhistischen Meditation und ist eine Entspannungstechnik, bei der du dein Bewusstsein durch den Körper wandern lässt.

Eine ausführliche Erklärung mit Anleitungsvideos findest du hier.

Beim Bodyscan werden Körperteile, auf die du sonst nicht achtest, präsenter und fühlbarer.
Es ist wie mit den Muskeln: Es gibt Muskeln, die du nicht spürst und nicht anspannen kannst, wenn du sie nicht trainierst.

c) Achtsam sein und Erfahrungen machen

Achtsamkeit ist ein wichtiges Mittel, um deine körperlichen Signale besser erfassen zu können.

Um etwas zu verändern, reicht es oft schon, die Aufmerksamkeit darauf zu richten.

Spüre im Alltag immer wieder in deinen Körper hinein und finde heraus, wie er sich anfühlt:

  • Wie bewegt sich dein Fuß beim Auftreten und Abrollen?
  • Wie fühlen sich die Träger deiner Tasche oder deines Rucksacks auf deinen Schultern an?
  • Kannst du deinen unteren Rücken spüren?
  • Ist dein Magen voll oder leer?
  • Gelingt es dir, den Beckenboden anzuspannen?

Dein Körper sagt dir, welches Essen in welcher Menge zu welchem Zeitpunkt gut für dich ist.

Um von den Essregeln weg zu kommen, ist Ausprobieren wichtig. Es hilft dir dabei, intuitiv essen zu lernen und die Sprache deines Körpers wieder zu verstehen.

Vor ein paar Jahren machte ich mit einer Freundin Ferien in Marokko. Ein paar Tage verbrachten wir am Meer.
Am Strand gab es eine kleine betonierte Plattform mit Restaurant und Kiosk. Meine Freundin war hungrig und wollte eine Tajine im Restaurant essen.
Ich hatte gar keinen Appetit auf ein warmes Gericht, mir war viel mehr nach einem kühlenden Eis mit knackigem Schokoladenüberzug.
Aber ich dachte: lieber etwas „Richtiges" essen, sonst habe ich nach dem Eis sofort wieder Hunger.
Also bestellten wir beide eine Tajine.
Nach dem Essen war ich zwar satt, aber unbefriedigt und kaufte anschließend noch das Eis, auf das ich so viel Lust gehabt hatte.
Hätte ich mich sofort für das Eis entschieden, wäre ich zufrieden gewesen und hätte mehr nicht gebraucht.

Erfahrungen dieser Art sind sehr wertvoll, um die Sprache deines Körpers verstehen zu lernen.

Aber sie sind auch nicht besonders angenehm, schließlich fühlte ich mich ganz schön vollgestopft nach öligen Kartoffeln, Fleisch und Schokosahneeis an einem heißen Sommertag.

Wann es richtig für dich ist, ein sättigendes Gericht, eine Süßigkeit oder gar nichts zu essen, ist stark von der Situation abhängig.

Um das einzuschätzen, brauchst du Sensibilität dir und deinem Körper gegenüber, die du durch Ausprobieren und das Machen von Fehlern entwickelst.

Es hätte ebensogut sein können, dass ich das Eis aus rein emotionalen Gründen hätte essen wollen. In dem Fall wäre ein „richtiges“ Essen oder einfach nur ein Getränk wahrscheinlich die bessere Wahl gewesen.

Wie das bei dir in welcher Situation ist, kannst du nur selbst herausfinden.

Es erfordert einige Übung und Selbstkenntnis, um körperliche Bedürfnisse, Gefühle und Gedanken auseinanderzuhalten.

Vielleicht kannst du körperliche und emotionale Sättigung nicht unterscheiden.
Das führt dazu, dass es dir schwerfällt, mit dem Essen aufzuhören.
Wenn dann auch noch Gedanken über die „richtige“ Portionsgröße bzw. darüber, wie viel du essen musst, um satt zu sein, hinzukommen, ist es wahrscheinlich, dass du dich überisst.

Von dem bisschen werde ich doch nicht satt!

Wie du es schaffst, deinen emotionalen Hunger zu stillen, erfährst du im nächsten Absatz.

Intuitiv essen lernen und abnehmen ohne Diät: Portionen verkleinern

4.2 Gefühle

Gefühle sind die Schnittstelle zwischen Körper und Geist. Sie entstehen oft als Reaktion auf Gedanken.

Emotionen spielen sich nicht nur in deinem Kopf ab, sondern sind auch im Körper lokalisiert.

Angst spürt man im Oberkörper, Traurigkeit und Angst in der Brust, Scham in Kopf, Brust und Magen.

Viele Menschen haben ihre Gefühle vom bewussten Teil ihres Erlebens abgeschnitten.
Gefühle können unangenehm und überwältigend sein.
Bringen wir nicht schon unseren Kindern bei, ihre Emotionen zu kontrollieren und sich zu beherrschen?

Unterdrückte Gefühle wollen heraus. Sie lassen sich nicht einfach zur Seite schieben.

Um mit dem inneren Druck umzugehen, greifen viele zu Essen.

Wenn du auch zu den Menschen gehörst, die aus emotionalen Gründen essen, dann gratuliere!

Denn auch hier ist der erste Schritt zu einer Veränderung die Bewusstwerdung. Wenn du weißt, dass du aus emotionalen Gründen isst, hast du den ersten Schritt bereits getan.

Verhalten ändert sich, wenn du deine Aufmerksamkeit darauf richtest.

4.2.1 Emotionales Essen überwinden: Gefühle fühlen

Der erste Schritt, um mit dem emotionalen Essen aufzuhören, ist das (Wieder-)Spüren deiner Gefühle.

Das ist leichter, wenn du weißt, welche Gefühle es überhaupt gibt.

Forscher sprechen von 27 unterschiedlichen Emotionen, die auf sechs Grundgefühle zurückgehen:

  1. Freude
  2. Wut
  3. Angst
  4. Ekel
  5. Überraschung
  6. Traurigkeit

Wut kann sich als leichtes Gereiztsein oder als rasender Zorn äußern. Traurigkeit ist mal Melancholie, mal Verzweiflung.

Eine übersichtliche Darstellung zahlreicher Gefühle findest du hier.

Übungen

  • Wenn du spürst, dass du essen möchtest, obwohl du nicht körperlich hungrig bist, schau dir die Liste mit den Gefühlen an. Gehe die Grundgefühle langsam durch. Welches könnte auf dich jetzt zutreffen?
  • Setz dich entspannt hin, schließe die Augen und nimm ein paar tiefe Atemzüge. Fühle in deinen Körper hinein. Gibt es eine Stelle, an der du stockst? Die sich verhärtet oder verknotet anfühlt?
    Vielleicht schnürt sich dein Hals zu, wenn du die Aufmerksamkeit auf ihn richtest. Forsche nach: Welches Gefühl steckt dahinter?
  • Hör Musik. Musik hilft dabei, Kontakt zu deinen Gefühlen aufzunehmen. Nach welcher Art von Musik ist dir zumute? Nirvana, Nick Drake oder Nat King Cole? So spürst du recht schnell, wie es gerade um dich bestellt ist.
    Ich merke oft erst, dass ich traurig bin, wenn ich Musik höre.

Klar: Musik ruft auch Emotionen hervor, sodass es sein kann, dass die Musik bestimmte Gefühle in dir auslöst. Nimm das als Anlass, um dir die Gefühle genau anzuschauen: Wie und wo in deinem Körper spürst du sie? Nehmen sie an Stärke zu oder sind sie eher gleichförmig?

4.2.2 Emotionales Essen stoppen: Fühlen statt essen

Was kannst du nun konkret tun, um bei Gefühlen nicht zu Essen zu greifen?

Das hat mir geholfen:

a) Finde deine Themen

Analysiere, welche Gefühle bei dir den Drang zu essen auslösen.

Sind es eher körperliche Empfindungen wie Müdigkeit oder Erschöpfung, oder fällt es dir schwer, Wut, Sorge oder Frust zuzulassen?

Beim emotionalen Essen hat jede:r seine eigenen Themen. Je besser du dich selber kennst, umso leichter fällt es dir, im richtigen Moment innezuhalten und nicht zu essen.

b) Kenne deine Trigger

Gibt es bestimmte Situationen, die das Verlangen zu essen in dir auslösen?

Bei mir war es lange schlicht das Nachhausekommen – weil ich mir Ruhe und Entspannung nicht zugestand, versuchte ich, diese Bedürfnisse mit Essen zu stillen.

Vielleicht ist es auch der Streit mit dem Partner, die Aufregung vor einer Präsentation, der Ärger darüber, krank zu sein oder das abendliche Entspannen auf dem Sofa, das immer wieder dazu führt, dass du ohne Hunger essen möchtest.

c) Entwickle eine Strategie

Wenn du weißt, welche Gefühle und Situationen bei dir den Drang zu essen auslösen, kannst du dir eine Strategie überlegen, wie du mit ihnen umgehen möchtest.

  • Was hilft dir bei Traurigkeit, Wut oder Frust?
  • Was kannst du tun, damit du in deinen Trigger-Situationen nicht mehr zu Essen greifst?

Bei Gefühlen hilft am besten: Zulassen.

Gefühle sind wie ein Wasserball: Wenn du versuchst, zu schwimmen und dabei den Ball unter Wasser zu halten, kommt der Ball immer wieder an die Oberfläche.
Lässt du ihn einfach vor dir hertreiben, kannst du viel besser schwimmen.

Gefühle, die du zulässt, ziehen vorüber. Unterdrückte Gefühle bleiben und arbeiten in dir weiter.

Meine Trigger-Situation des Nachhauskommens habe ich damals so gelöst: Ich kam nach Hause und legte mich erst einmal aufs Sofa – ob ich wollte oder nicht. Das war am Anfang schwer, aber nach ein, zwei Wochen verging der Drang, direkt etwas essen zu wollen.

Intuitiv essen lernen: Leere aushalten und bewusst entspannen hilft bei Essen aus Langeweile.
d) Fokussiere dich auf das Hier und Jetzt

Konzentriere dich bei der Umsetzung deiner Strategien auf die jetzige Situation.

Wenn du stattdessen daran denkst, wie oft du in deinem Leben noch versuchen wirst, zu fühlen oder zu entspannen anstatt zu essen, wird dich das eher entmutigen.

Fokussiere dich daher auf das Hier und Jetzt: Das einzelne Mal, in dem du nicht im Affekt oder aus einem Gefühl heraus isst, ist entscheidend – und nicht, wie oft du das in Zukunft noch machen wirst.

e) Surfing the urge

Eine weitere Technik, die mir geholfen hat, mit Essdrang zurechtzukommen, ist Surfing the urge. Hier geht es nicht um die Auseinandersetzung mit Gefühlen, die hinter dem Verlangen zu essen stehen, sondern darum, wie du mit dem Essdruck selbst umgehen kannst.

“You can’t stop the waves, but you can learn to surf.”

Jon Kabat-Zinn

Die Wellen stehen für den starken Drang nach Essen, obwohl du keinen physischen Hunger hast.

Die Methode besteht aus drei Schritten:

  1. Wahrnehmen: Du nimmst wahr, dass du das Verlangen hast zu essen.
  2. Spüren: Du spürst, in welchem Körperteil oder Körperregion sich das Verlangen befindet.
  3. Beobachten: Konzentriere dich darauf, wie sich der Essdrang in deinem Körper anfühlt. Bewegt er sich, nimmt er an Stärke ab oder zu? Ist er warm oder kalt?
  4. Atmen: Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Atme bewusst ein paar Mal tief ein und aus. Wo spürst du deinen Atem: in der Kehle, in der Brust oder in der Nase?
  5. Wiederholen: Fokussiere dich wieder auf das Verlangen. Beobachte, wie es langsam an Stärke verliert.

Eine ausführliche Anleitung zur Surfing the urge-Methode (auf Englisch) findest du hier.

Intuitiv essen lernen: Surfing the urge hilft bei Essanfällen

4.3 Verstand

Zum Verstand gehören alle kognitiven Prozesse.
Man könnte diesen Teil auch Geist oder Denken nennen.

Zwei Seiten möchte ich hier ansprechen:

  • Wie denkst du über dich?
  • Wie kannst mithilfe deines Verstandes ein für dich gut funktionierendes Ess-Konzept entwickeln?

a) Wie entscheidest du, (über dich) zu denken?

Beobachte dich einmal selber:

  • Wie siehst du dich?
  • Wie denkst du von dir?
  • Wie sprichst du über dich in Gedanken?

Bist du einfühlsam und verständnisvoll oder übst du Druck auf dich aus? Verwendest du häufig Phrasen wie Ich sollte, Ich muss, Hätte ich doch nur?

Einerseits lassen sich Gedanken nicht willentlich beeinflussen, sie kommen und gehen.
Gleichzeitig bestimmt das Bild, das wir uns von uns selbst und von der Welt machen, wie und was wir denken.

Es lohnt sich, an deinem Selbstbild und den damit verbundenen Glaubenssätzen zu arbeiten.

Stößt du auf einen negativen Gedanken („Ich werde niemals schlank sein“), setze dich mit ihm auseinander und frage dich:

  1. Ist das wahr, stimmt das?
  2. Wie kann ich sicher sein, dass es stimmt?
  3. Was möchte ich stattdessen über mich denken?

Mehr Informationen zu dieser von Byron Katie entwickelten Methode zum Hinterfragen von Glaubenssätzen findest du in meinem Beitrag Was tun gegen Essen aus Langeweile?

b) Welche Ess-Entscheidungen triffst du?

Du bestimmst selbst, was du wann isst und in welchen Mengen.

Viele Essgewohnheiten stammen aus unserer Kindheit, wir haben uns nie bewusst entschieden, uns so zu ernähren.

Ein paar Beispiele:

  • Du frühstückst jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen.
  • Du isst eine große Portion zu Mittag, weil du sonst nicht bis zum Abendessen „durchhältst“.
  • Du isst immer deinen Teller leer.
  • Du meidest bestimmte Lebensmittel, weil sie dir als Kind nicht geschmeckt haben (Spinat, Brokkoli, Bohnen, Linsen, Vollkornnudeln, Tofu…).
  • Du isst nach jeder Hauptmahlzeit etwas Süßes.

Bis auf den vorletzten Punkt hatte ich all diese Gewohnheiten, die dafür gesorgt haben, dass ich nie so schlank war, wie ich sein wollte.

Sei auch hier wachsam beim Wörtchen „muss“: Sobald du denkst, dass du etwas essen musst, halte inne.
Ersetze ich muss durch ich möchte.

Aus „Ich muss meinen Teller leeressen“ wird „Ich möchte meinen Teller leeressen.“

So beginnst du automatisch, deine Gewohnheiten zu hinterfragen: Warum möchtest du weiteressen, obwohl du vielleicht schon satt bist?

Einige Ideen für Fragen, die du dir stellen kannst, um neue Essgewohnheiten zu etablieren, die zu deinem jetzigen Leben und deinen Zielen passen, findest du hier.

4.4 Intuitiv essen lernen mit Körper, Gefühlen und Verstand

Körperliches Empfinden, Fühlen und Denken getrennt voneinander darzustellen, hat etwas Künstliches, denn in Wirklichkeit greifen sie ineinander und bedingen sich gegenseitig.

So sendet dir dein Körper einerseits Hunger- und Sättigungssignale, andererseits bestimmst du mit deinen Ess- und Bewegungsentscheidungen darüber, wie sich dein Körper „verhält“ und „fühlt“.

Bewegst du dich selten, gewöhnt dein Körper sich seinen Bewegungsdrang ab. Machst du hingegen regelmäßig Sport, wird es bald zu einem Bedürfnis, dich täglich zu bewegen.

Die analytische Trennung von Körper, Psyche und Geist hilft jedoch dabei, zu begreifen, was in dir vorgeht. Wenn du Fühlen, Empfinden und Denken klar voneinander unterscheiden kannst, fällt es dir leichter, dich selbst zu verstehen und in eine empathische Beziehung zu dir selbst zu treten.

Selbstempathie, Selbstmitgefühl und Selbstreflexion bilden die Grundlage für intuitives Essen.

5. Zusammenfassung: Mit intuitivem Essen anfangen

Wie schaffst du es, mit intuitivem Essen anzufangen, Diäten hinter dir zu lassen und endlich den Druck aus deinem Verhältnis zum Essen zu nehmen?

In diesem Beitrag habe ich dir die folgenden Schritte beschrieben:

  1. Befreie dich von allen Maßnahmen, die dich und dein Essverhalten von außen einem Zwang oder einer strengen Kontrolle unterwerfen.
  2. Ganzheitlicher Ansatz, der Körper, Gefühle und Verstand miteinbezieht:
    Körper: Stelle den Kontakt zu deinem Körper (wieder) her und spüre seine Signale.
    Gefühle: Lerne, unangenehme Gefühle und herausfordernde Situationen nicht mit Essen zu kompensieren.
    Verstand: Befreie dich von limitierenden Glaubenssätzen und etabliere Gewohnheiten, die dir dabei helfen, dich energiegeladen und fit zu fühlen.

Bildquellen: © Unsplash: Mae Mu (Lolli), Ashim D’Silva (Sofa), Jeremy Bishop (Welle)

Hast du intuitives Essen schon einmal ausprobiert? Was waren deine größten Herausforderungen beim intuitiven Essen? Ich freue mich auf deinen Kommentar!

Marion

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6 thoughts on “Intuitiv essen lernen – Komplettanleitung für Anfänger:innen

    1. Marion says:

      Hallo Tamara,

      sehr gern. 🙂 Es freut mich, dass dir der Beitrag gefällt.

      Herzliche Grüße
      Marion

      Antworten
  1. Amelie Bachmann says:

    Also von den Fotos her finde ich du warst mindestens genauso wenn nicht noch attraktiver , auch wenn du eben nicht schlank warst!
    Den Artikel finde ich großartig! Danke für diese ganzheitliche und ausführliche Hilfestellung!

    Antworten
    1. Marion says:

      Hallo Amelie,

      toll, dass Dir mein Beitrag gefällt.
      Und danke für das Kompliment. 😉

      Herzliche Grüße
      Marion

      Antworten
  2. Ina says:

    Wirklich toller und ausführlicher Artikel über das intuitive essen. Ich habe es auch durch die intuitive Ernährung geschafft, mein Wunschgewicht zu erreichen. Aber noch besser war es, dass ich mich selbst generell wohler in meinem Körper gefühlt habe.

    Antworten

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