Der Kleiderschrank ist aufgeräumt, die Küche von Nippes befreit und die VHS-Sammlung aufgelöst – aber du willst mehr. Du willst Minimalismus für Fortgeschrittene.
Zum Glück hört Ausmisten nie auf. Hier erfährst du, in welchen leicht zu übersehbaren Bereichen du weitermachen kannst, wie du dich von nützlichen Gegenständen trennst und mit dem Ausmisten auch vor dem Immateriellen nicht Halt machst.
Jetzt auch als Folge 76 des Frugales-Glück-Podcasts!
1. Ran an die Aufbewahrungslösungen!
Je weniger Boxen, Kisten, Körbe da sind, umso weniger Zeug kann sich darin verstecken.
Vor allem Körbe laden dazu ein, haufenweise Spielsachen reinzuwerfen und dann nur noch dekorativ herumzustehen.
Minimalismus für Fortgeschrittene beginnt daher mit der Möbelmethode: Weg mit der Form, dann geht automatisch auch der Inhalt.
2. Flurgegenstände und Nützliches
Nach dem Studium habe ich ein Jahr in Kasachstan gearbeitet. Im gigantomanisch vollen XXL-Koffer reisten neben der deutschen Taschenbuchausgabe von Krieg und Frieden in der Übersetzung von Barbara Conrad* auch Imprägnierspray und schwarze und braune Schuhcreme mit.
Heute pflege ich meine Schuhe mit einem alten Socken und Vaseline.
Brauchst du Schuhbürsten, Bügeleisen, Schuhanzieher, Einlegesohlen, Putzlappen und Regenbogen-Staubwedel wirklich? Und wenn ja, wie viele?
3. Elektrokleingeräte
Eine liebe Person, die seit der Spülmaschinen-Geschichte hier namentlich nicht mehr genannt werden möchte, besitzt drei Staubsauger.
Einen Handstaubsauger, einen Krümel-Tischstaubsauger und einen Luxus-Haustier-Vollleistungsstaubsauger.
Weitere heiße Kandidaten, die dem Minimalismus für Fortgeschrittene zum Opfer fallen könnten:
- Akkuschrauber
- Bohrmaschine
- Mikrowelle
- Toaster
- Brotbackautomat
- Küchenmaschine
- Zwiebelhäcksler
- Saftpresse
- Elektrische Salz- und Pfeffermühle
- Kapselkaffeemaschine
- Milchaufschäumer
- Eierkocher
- Sandwichmaker
- Bügeleisen
- …
4. Medikamente und Vitamine
Durch die Drogerie zu gehen und einfach mal was mitzunehmen ist leicht.
Sich damit zu beschäftigen, welche Nährstoffe man wirklich supplementieren sollte, weniger.
Vitamin C aus der Acerolakirsche darf den Badezimmerschrank verlassen, ebenso wie abgelaufene Schmerzmittel und Medikamente, die du vor zwei Jahren gekauft und sofort wieder vergessen hast.
5. Zettel
Ich hab hier, komm gib mir.
W. B., Vater meines Ex-Ex-Freundes
Zettel!
Die Welt wird regiert von Zetteln.
Was in den 90ern noch gestimmt haben mag, ist heute kalter Kaffee.
Also ran an all die Unterlagen, Verträge, Originalverpackungen, Kassenbons, Quittungen und Rechnungen!
6. Lebensmittel
Oh Vorratskammer, unbekanntes Wesen!
Wann hast du Soßenbinder, Weißweinsauerkraut, Curryblätter oder die Gewürzmischung Gurkensuppe das letzte Mal gebraucht?
Nutze eine Verwertungschallenge, um den überflüssigen Kram loszuwerden und kaufe zukünftig nur noch Dinge, die du auch wirklich isst und zum Kochen verwendest.
7. Schuhe und Taschen
Es gab eine Zeit, da besaß ich 30 Taschen. Und 36 Paar Schuhe.
Mein erster Gedanke beim Aufwachen: Was ziehe ich an? Welche Schuhe passen dazu? Welche Tasche?
Ich leitete kein mittelständisches Unternehmen, sondern studierte im 8. Semester Philosophie.
Minimalismus für Fortgeschrittene bei Schuhen beginnt mit der Frage, welche Arten von Schuhen du eigentlich brauchst. Sind Pumps und Stiefeletten wirklich essentiell? Oder läufst du eh den ganzen Tag in Turnschuhen herum?
Mehr dazu erfährst du hier: Minimalismus und Schuhe: In 30 Minuten unnütze Schuhe aussortieren
Taschen lassen sich pragmatisch auf zwei oder drei Modelle reduzieren:
- Was Kleines zum Ausgehen
- Mittelgroße Tasche oder Rucksack für die Arbeit und den Alltag
- Größerer Rucksack zum Reisen.
8. Mit Handgepäck reisen
Reisen ist stressig? Das mag am vielen Gepäck liegen.
Wie sollst du dich entspannen, wenn du ständig 30 Kilo Rucksack oder Koffer hin- und herwuchten und dabei noch all die zusätzlichen Täschchen im Auge behalten musst?
Unterhosen kann man abends im Waschbecken waschen.
T-Shirts auch.
Egal, wie lange ich unterwegs bin, ich nehme nie mehr als drei Oberteile mit. Meistens nehme ich eins ungetragen wieder mit zurück.
Wenn du mit Kindern verreist, brauchst du nicht das halbe Kinderzimmer mitzunehmen. Dinge zum Spielen lassen sich überall finden. Sind eh interessanter als der Kram von zuhause.
In diesem Artikel findest du eine detaillierte Anleitung mit Packliste zum Download, wie du mit Baby nur mit Handgepäck verreist: Minimalistisch reisen mit Baby – So reist du nur mit Handgepäck
9. Auf dem Land kein Auto besitzen
Ja, es ist praktisch.
Ja, es gibt keine gescheiten Busverbindungen.
Ja, du musst einkaufen.
Nein, du brauchst dafür kein Auto.*
*Oder doch? Schreib einen Kommentar!
10. Digitaler Minimalismus ist besser
Ständig am Handy hängen, Serien bingen oder Millionen Fotos in der Cloud speichern (und dafür jährlich einen dreistelligen Betrag bezahlen) sind Gewohnheiten, die du aussortieren darfst – vorausgesetzt, sie stören dich.
Morgens gilt dein erster Blick deinem Instagram-Feed?
Warum löschst du die App nicht einfach von deinem Telefon?
Und wenn sie dich echt nervt, kannst du gleich den ganzen Account löschen.
Mehr über einen minimalistischen Umgang mit Benachrichtigungen, sozialen Medien, digitalen Dokumenten und vielem mehr erfährst du hier: Smartphone-Detox: 7 Tipps, um weniger Zeit am Handy zu verbringen
11. Freund:innen
Welche:r deine:r Freund:innen würde dich im Krankenhaus besuchen? Wen könntest du anrufen, wenn es dir schlecht geht?
Und wieviel Zeit verbringst du mit Menschen, die nicht in diese Kategorie fallen?
12. Verpflichtungen
Montags nach der Arbeit gehst du zum Aerial Yoga, anschließend machst du noch den Onlinekurs „Programmieren ohne Programmiersprache“.
Dienstags stehen der Lettisch-Kurs und Kizomba auf dem Programm.
Die anderen Tage und das Wochenende sind auch schon verplant.
Und natürlich arbeitest du Vollzeit.
Packst du dir deine Tage voll mit Arbeit und Aktivitäten? Hast keine Zeit, um mal durchzuatmen und dich auf dich selber zu besinnen?
Einfach mal in den Tag trödeln und nichts vorhaben kommt bei dir nicht vor?
Zum Minimalismus für Fortgeschrittene kann auch gehören, Termine, Verpflichtungen und Hobbys aus deinem Kalender zu werfen.
Du hast Kinder und denkst jetzt: „So ein Quatsch, ich habe keine ruhige Minute mehr für mich. Von Yoga und Lettisch (okay, Spanisch dann halt) kann ich nur träumen!“
Dann überleg mal, welche Hobbys und festen Termine deine Kinder haben. Und wer dafür sorgt, dass sie vorbereitet und pünktlich zum Gitarrenunterricht, Seepferdchentraining und Töpferkurs kommen.
13. Gewohnheiten
Gewohnheiten können abhängig machen.
Das Ergebnis: Du kannst nicht mehr ohne die Hilfsmittel, die deine Gewohnheit ermöglichen.
Im Falle von ungeliebten Gewohnheiten kannst du auf etwas nicht verzichten, dass du gern aus deinem Leben werfen (= minimalisieren) möchtest.
Ein paar Beispiele:
- Rauchen
- Süßigkeiten essen
- Ohren mit Wattestäbchen putzen
- Kaffee trinken
- Mit dem Auto zur Arbeit fahren
- Ständig durch Social Media scrollen
- Mehrmals am Tag Nachrichten lesen
- Lotto spielen (oder ein anderes Glücksspiel)
- Dich stark schminken (Foundation, Concealer, Lippenstift, Rouge…)
- Kaugummi kauen
- Dauernd snacken
Nichts gegen Süßigkeiten, aber vielleicht kennst du das: Je regelmäßiger du Eis, Schokolade oder Kekse konsumierst, umso häufiger hast du ein Verlangen nach ihnen. Das ist zwar keine Sucht im engeren Sinne, kann sich aber so anfühlen.
So kommst du da heraus: Vergessen statt verstecken! So gelangst du zu einem entspannten Umgang mit Süßigkeiten
14. Arbeiten
Je mehr du arbeitest, desto weniger Zeit hast du für andere Dinge.
Aber ich brauche doch Geld!
Jaja, ich weiß. Ich brauche auch Geld. Wir alle brauchen Geld.
Aber je höher dein Lebensstandard ist, umso mehr Geld benötigst du.
Und umso mehr musst du arbeiten.
(Es sei denn, du gehörst zu den oberen Zehntausend und lässt andere für dich arbeiten. Herzlich willkommen auf meinem Blog!)
Minimalismus hilft dir, weniger Dinge und damit auch weniger Geld zu brauchen.
Das macht dich unabhängig, stark und glücklich.
15. „Müssen“
Ich muss in den Keller, Wäsche aufhängen.
Morgen müssen wir wieder zum Kartenspielen.
Am Montag muss ich schon um 08.00 Uhr zur Arbeit.
Sogar essen kann man müssen.
Fortgeschrittener Minimalismus kann (muss aber nicht 😉 ) heißen, deine Modalverben* auszumisten.
Müssen müssen wir nur sehr weniger Dinge.
Du musst nicht arbeiten. Du kannst dich krank melden. Oder dir einen neuen Job suchen.
Du musst nicht essen. Du kannst das Abendessen ausfallen lassen oder fasten.
Du musst nichts im Haushalt erledigen. Du kannst es dreckig werden lassen oder jemanden bitten, es für dich zu tun.
*ein anderer heißer Kandidat ist können. „Ich kann das nicht“ bedeutet in 99% aller Fälle, dass du etwas nicht tun willst oder einer Sache keine Priorität einräumst.
Was gehört für dich zum Minimalismus für Fortgeschrittene? Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!
6 thoughts on “Minimalismus für Fortgeschrittene – 15 Blitztipps für noch weniger Ballast”
O ja, „Benutze deinen Willen!“ ist bei uns im Freundeskreis gerade ein großes Thema. Man ist so gewöhnt an „ich kann jetzt nicht…“, „ich muss doch…“, man fängt an mit den Umständen in seinem Leben hadern, und tut nichts von Herzen weil man sich nie zu etwas davon entschieden hat.
…wir merken, es ist gar nicht so leicht, seinen Willen wieder zu benutzen, aber der Aufwand lohnt sich!
Hallo Merry,
das ist ein interessanter Punkt. Einerseits sind viele Menschen getrieben, hetzen im Alltag von einer To Do zur nächsten.
Und gleichzeitig fragen sich nur wenige, ob sie dieses Leben wirklich wollen. Und falls nicht, wie es stattdessen aussehen soll.
Und das ewige „Muss“ kaschiert diesen Zwiespalt ganz gut.
Herzliche Grüße
Marion
Hi Marion, das ist ein toller Gedanke, auch bei der eigenen Sprache auszumisten und für Ordnung zu sorgen. Ich glaube, dass deine Worte, auch deine Taten bestimmen und du einfach einen neues Bewusstsein für manche Dinge entwickelst.
Hallo Marion,
wieder Mal ein wunderbarer Beitrag von dir! Ich lese deine Beträge sehr gerne mit Genuss und kann immer wieder Impulse mitnehmen bzw. sind es wunderbare Reminder für mich! Besonders Punkt 15. hat mich hier angesprochen!
Danke für dein Tun!
Liebe Grüße Sabi
Hallo Marion,
zu Punk 13. Man kann den Süßkram tatsächlich sehr reduzieren und es ist gar nicht so schwer, wie vermutet. Weil es eben genau wie du schreibst, nur eine Gewohnheit ist.
Danke für diesen Blogartikel. Ich finde ihn inspirierend.
Viele Grüße
Heike
Hallo Sabi,
das freut mich sehr, vielen Dank!
Mit dem „Müssen“ schlage ich mich auch immer wieder herum… 🙂
Herzliche Grüße
Marion