Minimalismus, Nachhaltigkeit, pflanzliche Ernährung – was hat das mit gestörtem Essverhalten und Essanfällen zu tun?
Minimalismus ist mehr als nur Ausmisten. Wenn du beginnst, dich von Dingen zu trennen, machst du selber eine Wandlung durch: Du lernst, loszulassen und auf dich selbst zu vertrauen. Wie Minimalismus dir dabei helfen kann, Frieden mit dem Essen zu schließen und zu einem harmonischen Essverhalten zu finden, zeige ich dir in diesem Artikel.
1. Warum schreibe ich über Minimalismus und gestörtes Essverhalten?
Auf Frugales Glück schreibe ich über Minimalismus, Müllvermeidung, bewussten Konsum, pflanzliche Ernährung und ein einfaches Leben mit Kind.
Welche Verbindung besteht zwischen diesen Themen und gestörtem Essverhalten?
Die Kategorie Einfach essen umfasst alle Themen, die mit einem unbeschwerten Essverhalten zu tun haben.
Unbeschwertes Essverhalten ist für mich das Gegenteil von gestörtem Essverhalten.
Was ist gestörtes Essverhalten?
Der Terminus gestörtes Essverhalten deckt eine große Bandbreite von Schwierigkeiten ab, die Menschen mit dem Essen haben können.
Dazu gehören zum Beispiel:
- Emotionales Essen: Du greifst zu Essen, wenn du wütend, traurig, genervt oder gestresst bist.
- Dauerdiäten: Du zählst Kalorien, machst intermittierendes Fasten oder Low Carb und kannst irgendwie nicht mehr damit aufhören.
- Überessen: Du isst weiter, auch wenn du bereits satt bist. Reste auf dem Teller zu lassen ist eine große Herausforderung für dich.
- Verbotene Lebensmittel: Du teilst Lebensmittel in gut und schlecht ein. Es fällt dir schwer, nur ein Stück Schokolade oder nur einen Keks zu essen.
- Überfordernde Situationen: Du isst nicht gerne auswärts. Besonders Buffets machen dich nervös und du neigst dazu, dich zu überessen.
- Nie ohne Essen: Du bist nicht gerne in der Natur oder an Orten, an denen es kein Essen zu kaufen gibt.
- Heißhunger: Du hast ein großes Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln.
- Essanfälle: Du leidest unter Essanfällen, bei denen du innerhalb kurzer Zeit eine große Menge an Nahrungsmitteln zu dir nimmst.
Disclaimer:
Wenn du unter einer Essstörung leidest, suche dir bitte Hilfe bei einem Arzt oder Therapeuten. Ich schreibe über gestörtes Essverhalten, Binge Eating und Bulimie, weil ich selber über 20 Jahre darunter gelitten habe. Die Ratschläge, die ich dir gebe, beruhen auf meinen eigenen Erfahrungen, die ich auf dem langen Weg aus der Essstörung gemacht habe. Ich bin keine ausgebildete Therapeutin oder Ernährungsberaterin, und das Lesen meines Blogs ersetzt keine Therapie.
Auch wenn du nicht an einer Essstörung im engeren Sinne leidest – auch leichte Formen gestörten Essverhaltens wie Dauerdiäten und emotionales Essen führen dazu, dass du dich gedanklich mehr mit Essen beschäftigst als dir lieb ist.
Essen und Besitzen
Es ist ebenso wie mit dem Besitzen von allerlei Dingen:
Du bist an etwas gebunden, das du dir so nicht ausgesucht hast.
Besitz und das Anhäufen von Dingen wirken sich auf deine Gefühle und Gedanken aus und beeinflussen dein Handeln.
Dein Essverhalten hat mit all den Regeln, Verboten und Überzeugungen eine Eigendynamik entwickelt, die dein tägliches Verhalten bestimmt, ebenso, wie auch materielle Gegenstände, Verpflichtungen und Gewohnheiten dich auf Verhaltensweisen festlegen.
Diese Handlungen und die dahinterstehenden Überzeugungen abzulegen, ist wie das Ablösen von Schichten, die sich im Laufe der Jahre um dein Ich herumgelegt haben.
Im Befreien und Loslassen findest du zu dir selbst.
In der Auseinandersetzung mit deinem Essverhalten lernst du, auf dich und deinen Körper zu vertrauen. Du lernst, ehrlich mit dir zu sein und dich deinen Gefühlen und Gedanken zu stellen.
Du wirst auf dich selber zurückgeworfen.
Dasselbe geschieht, wenn du dich von Sachen trennst.
Mit jedem Stück, das geht, kommst du dir selber näher.
Diesen Prozess habe ich ausführlich in meinem 2. Manifest des Minimalismus erläutert.
2. Was ist das Problem mit Essen?
Wie entsteht gestörtes Essverhalten? Und warum ist es so belastend?
So vielfältig die Ausprägungen gestörten Essverhaltens auch sind, die Mechanismen, die ihm zugrunde liegen, sind oft dieselben.
Im Laufe der Jahre konnte ich drei Hauptursachen für die Verkomplizierung unserer Beziehung zum Essen ausmachen:
- Gefühle und körperliche Empfindungen werden verdrängt und mit Essen kompensiert;
- Diätregeln und -vorschriften entfremden uns von unserem Körper und machen uns unempfindlich für seine Signale;
- Glaubenssätze und Gewohnheiten legen uns auf Verhaltensmuster fest, die zu Überessen führen.
Ein problematisches Verhältnis zum Essen macht das Leben in zweierlei Hinsicht schwer:
- Eine wiederkehrende alltägliche Handlung wird zur Herausforderung.
Stell dir vor, jede Mahlzeit ist begleitet von Gedanken wie Habe ich nicht zu viel gegessen? Werde ich davon zunehmen? Ich habe noch Hunger, aber ich darf nichts mehr essen. Wann esse ich das nächste Mal? - Ein Großteil des Lebens dreht sich ums Essen. Den ganzen Tag über begleiten dich Kalorienangaben, Energieverbrauch, Lebensmittel und Einkaufen, auch wenn du gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt bist.
Je tiefer du in das gestörte Essverhalten hineinrutschst, umso mehr Raum nehmen die Gedanken an Essen ein.
In meiner letzten Therapie fragte mich der Psychologe, wie viel Prozent meiner Gedanken das Essen einnimmt. Nach kurzem Überlegen antwortete ich: „Neunzig Prozent.“
Ich hatte vorher niemals darüber nachgedacht und war schockiert. Neunzig Prozent! Wie viel Energie ich an das Essensthema verschwendete!
Doch Essen dominiert nicht nur die Gedankenwelt, es bestimmt auch die Handlungen.
Als ich noch unter Essanfällen litt, war ich ständig am Kochen oder in Supermärkten unterwegs, oft sogar ohne etwas zu kaufen. Der bloße Anblick von Lebensmitteln hatte eine beruhigende Wirkung auf mich.
Umso schlimmer waren daher Orte, an denen es keine Möglichkeit gab, etwas zu essen zu kaufen. Gegen Urlaub in der Natur und Wanderungen entwickelte ich einen regelrechten Widerwillen. Nur eine Stunde ohne Lebensmittelgeschäft oder Kiosk – undenkbar.
Ein gestörtes Verhältnis zum Essen nimmt Möglichkeiten, es schränkt dich ein und begrenzt dich. In der Essstörung war ich nie der Mensch, der ich hätte sein können oder wollen.
Auch wenn du nicht an einer Essstörung leidest, sondern „nur“ ständige Diätgedanken hast: Das Leben ist zu kurz, um dein einzigartiges, wunderbares Wesen und deine Energie an Kontrolle, Kalorien und Kilos zu verschwenden.
3. Mit Minimalismus gestörtes Essverhalten überwinden
Essen nimmt dich buchstäblich von sich ein und konsumiert dich, es bietet aber auch einen Halt. Solange du mit dem Planen von Mahlzeiten, Kalorienzählen und deinem Gewicht beschäftigt bist, setzt du dich nicht mit dir selber auseinander.
Wie auch, wenn nur noch 10 Prozent Denkkapazität übrig sind?
Wer anfängt, sich mit Minimalismus zu beschäftigen und sich nach und nach von vielen Dingen trennt, stellt fest, dass das Ausmisten viele andere Prozesse in Gang bringt.
Einige finden über den Minimalismus zur veganen Ernährung, andere entdecken den Zero Waste-Lebensstil für sich oder ändern die Art, wie sie reisen und Urlaub machen.
Warum ist das so?
Wenn du nicht mehr in Beschlag genommen bist von allerlei Dingen, die gekauft, gepflegt, gesäubert, repariert und hingestellt werden möchten, hast du Zeit und Energie, dich mit dir selbst zu beschäftigen.
Das, was nach dem Ausmisten bleibt, bist du!
Du beginnst, dir Fragen zu stellen:
- Wer bin ich?
- Wer will ich sein?
- Was sind meine Werte?
- Wie will ich leben?
- Womit will ich dieses eine Leben, das mir gegeben wurde, verbringen?
Wer schon einmal viele Sachen losgeworden ist, kennt das wohlige Gefühl der Zufriedenheit, das sich danach einstellt.
Dieses Gefühl gibt es auch in Bezug auf Essen:
Die Gewissheit, mit dem auszukommen, was da ist und nicht angewiesen zu sein auf ein bestimmtes Produkt oder eine besondere Zutat, erzeugt eine freudige Leichtigkeit.
Die Vorstellung, einfach Linsen mit Gemüse zu kochen und ein paar Tage davon zu essen, war früher eine Utopie für mich.
Heute ist es die Realität:
Ich bin froh, wenn noch Reste da sind und ich nicht einkaufen und kochen muss.
Außerdem liebe ich es mittlerweile, in der Natur zu sein.
Nur noch zwei Prozent meiner Gedanken sind mit Essen beschäftigt.
Der Sinn des Lebens
Ich bin überzeugt, dass ein Sinn des Lebens darin besteht, eine Harmonie zwischen Körper, Seele und Geist herzustellen.
Gestörtes Essverhalten ist ein Anzeichen dafür, dass mit einem – oder mehreren – der drei Elemente etwas nicht stimmt.
Vielleicht können wir unsere Gefühle nicht spüren, lassen uns von unseren Gedanken vor uns hertreiben oder haben die Verbindung zu unserem Körper verloren.
Wenn du beginnst, dich deinen Problemen mit dem Essen zu stellen, kommt ein Prozess in Gang, der in Vielem dem gleicht, was beim Ausmisten passiert.
Du beginnst, dich mit dir selbst zu beschäftigen und wirst immer mehr zu dem Menschen, der du sein kannst und willst.
Du betreibst Persönlichkeitsentwicklung auf eigene Faust.
Dass ich jetzt hier schreibe, wäre ohne das Abwerfen des physischen und psychischen Ballasts, den ich mit dem Horten von Dingen und jahrelangem Diäten angehäuft habe, niemals möglich gewesen.
Ich war immer davon überzeugt, in nichts besonders gut zu sein und hatte nichts, das ich als mein Hobby bezeichnen konnte.
Nichts, das Eifer schafft.
Mittlerweile habe ich meine Leidenschaft gefunden und fühle mich so leicht und frei wie noch nie zuvor.
Diese Leichtigkeit und Freiheit, die durch die Überwindung meines gestörten Essverhaltens und den Minimalismus in mein Leben gekommen ist, möchte ich durch diesen Blog an andere Menschen weitergeben.
4. Fazit: Minimalismus und Essstörungen
Minimalismus und Essen sind für mich auf zweierlei Weise verbunden:
- Einfach leben
Weniger Zeug, weniger Müll, weniger Konsum.
Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Energie.
Entscheidungen treffen, die besser für dich, deine Mitmenschen, andere Lebewesen und die Umwelt sind. - Einfach essen
Weg mit den Regeln, dem Zwang und den künstlichen Instrumenten zur Gewichtskontrolle.
Bedürfnisse direkt stillen und nicht mit Essen.
Dem Körper vertrauen und dankbar sein, für das, was da ist.
Einklang zwischen Körper, Seele und Geist.
Der Weg zu einem einfachen, problembefreiten Essverhalten ist lang.
In Einfach essen schreibe ich über die verschiedenen Etappen auf diesem Weg.
Minimalismus, achtsam leben und unbeschwertes Essverhalten sind verschiedene Äste desselben Baums. Alle strecken sich in den Himmel und wollen zum Licht.
Welchen Ast du wählst, ist nicht wichtig.
Wichtig ist, dass du wählst: dass du dein Leben in deine eigenen Hände nimmt und weißt, dass du es bist, der über dich bestimmt. Niemand und nichts sonst.
Und dabei möchte ich dir helfen.
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Gibt es für dich einen Zusammenhang zwischen Minimalismus und Essverhalten? Worin besteht er? Ich freue mich auf deinen Kommentar!