Ortsunabhängig arbeiten ist nicht erst seit der Pandemie ein Trend.
Aber jetzt ist digitales Nomadentum für viel mehr Menschen greifbar: Arbeitgeber sind flexibler geworden und richten Homeoffice-Arbeitsplätze ein. Oder stellen gleich komplett um auf Fernarbeit, um für die nächste Krise gewappnet zu sein.
Wer immer schon fasziniert war vom ortsunabhängigen Arbeiten, sieht seine Chance gekommen: Warum nicht das Arbeitszimmer in Küche oder Schlafzimmer tauschen gegen die berühmte Hängematte auf Bali?
Bis nach Bali haben wir es (noch) nicht geschafft, aber mein Freund und ich sind mit unserer kleinen Tochter für drei Wochen nach Rumänien gefahren, mit dem Ziel, dort zu arbeiten und Urlaub zu machen.
Vor welche unerwarteten Herausforderungen unser alltägliches Leben, unsere Arbeit und unsere Beziehung gestellt wurde, erfährst du in meinem Erfahrungsbericht zum ortsunabhängigen Arbeiten mit Kleinkind.
1. Die Vorgeschichte: Wir wollen ortsunabhängig arbeiten!
Im Herbst 2019 beschlossen der Freund und ich, dass wir mit unserer kleinen Tochter reisen und ortsunabhängig arbeiten wollen, bis sie in die Schule kommt.
Bereits zwei Monate später kündigte ich meinen festen Job und hielt mich mit Übersetzungen und Copywriting über Wasser. Eine Zeitlang versuchte ich mich an Ghostwriting, gab es aber schnell wieder auf – zu viel Arbeit, und anonym für fremde Leute zu schreiben ist nicht mein Ding.
Mittlerweile habe ich etwas Passenderes gefunden und verdiene mein Geld als virtuelle Assistentin und Übersetzerin.
Die Corona-Pandemie machte die Umsetzung unserer Pläne erst einmal unmöglich. Mit dem Ende des Lockdowns im Juni beschlossen wir, das ortsunabhängige Arbeiten mit Kleinkind für ein paar Wochen auszuprobieren. Unsere Wahl fiel auf Rumänien – ein Land mit niedrigeren Lebenshaltungskosten als Belgien, das viel zu bieten hat: Großstädte, Meer, Berge – und Dracula! 🧛
2. In Rumänien reisen und arbeiten: Wo wohnen?
Hotelzimmer und Hostels sind zum ortsunabhängigen Arbeiten für zwei Personen mit Kind weniger gut geeignet.
Unsere Wahl fiel daher auf über Airbnb gemietete Wohnungen mit genug Platz zum Rennen und Spielen für das Kind und mit zwei Arbeitsplätzen für uns.
Als zweiter Arbeitsplatz musste auch mal die Küche (oft) oder das Sofa (manchmal) herhalten.
Ein getrenntes Schlaf- und Wohnzimmer ist für uns ideal, weil ich früh aufstehe und der Freund lieber spät abends arbeitet.
Ein echter Luxus, wenn man bedenkt, dass wir in Antwerpen alle in einem Zimmer wohnen!
Eine über Airbnb gefundene Zweizimmerwohnung in einer rumänischen Großstadt kostet im Monat etwa dasselbe wie eine dauerhaft gemietete Wohnung derselben Größe in Antwerpen.
3. Ortsunabhängig arbeiten mit Kleinkind – die Herausforderungen
a) Auf was wir verzichten
Beim ortsunabhängigen Arbeiten gibt es vieles von dem, was es zuhause gibt, nicht:
- die Kita
- die Oma
- die Spielsachen*
- das Yoga-Studio, das bereits um 4.30 morgens seine Türen öffnet.
*Auch für Minimalisten sind 20 Duplos manchmal besser als 12. 😀
Ich liebe es, morgens zu arbeiten und Sport zu machen. Zuhause ist mein Tag so eingeteilt, dass ich vor 11 Uhr bereits 75 % meines Tagespensums erledigt habe.
Dazu gehören:
- eine Stunde Ashtanga Yoga;
- zwei Stunden für den Blog schreiben;
- zwei Stunden arbeiten als virtuelle Assistentin.
Die ersten Tage in Bucharest laufen leider ganz anders.
Obwohl wir eine wunderbar große Wohnung mit Kinderzimmer und einem Haufen Spielzeug (sogar eine Holzeisenbahn ist dabei!) haben, schaffe ich gefühlt gar nichts.
Aufgrund der Zeitverschiebung fällt es mir schwer, um halb 6 aufzustehen. Mit Mühe schwinge ich mich um halb 7 aus den Federn – da ist das Kind auch schon wach.
Es hat sich erkältet, ist anhänglicher als sonst. In Ruhe arbeiten, während das Kind die Wohnung erkundet – undenkbar.
Der Papa schläft wie üblich bis 10 und kann Kita und Oma nicht ersetzen.
Das Ergebnis:
In Bucharest schaffe ich nur das Nötigste, arbeite ein paar Stunden als virtuelle Assistentin, das Frugale Glück bleibt auf der Strecke und meine Yogapraxis ist bestenfalls halbherzig.
Dafür habe ich ein paar tolle Eisenbahnstrecken verlegt.
b) Die Beziehung: Streit statt Harmonie
Ortsunabhängiges Arbeiten ist auch für die Beziehung eine Belastungsprobe, besonders, wenn Kinder mit dabei sind.
Die Herausforderungen:
- Unausgesprochene Erwartungen an den anderen
- Fehlende Absprachen
- Falsche Kommunikation
Unsere eigentlich harmonische Beziehung verwandelt sich in einen Dauerstreit.
Zur Anschauung:
Ich stehe früh auf und freue mich darauf, ein, zwei Stunden nur für mich zu haben. Das Kind denkt sich dasselbe, der Freund schläft. (Hatte ich erwähnt, dass er sehr gerne schläft?)
Während mich das Schlafen zuhause nicht stört (das Kind ist in der Kita, ich habe das Zimmer für mich), finde ich jetzt, dass er früher aufstehen und sich um das Kind kümmern sollte.
So bin ich bereits gereizt, wenn er aufsteht – und er versteht nicht, wo plötzlich das Problem liegt.
Anstatt die eigenen Bedürfnisse und Gefühle anzusprechen, bombardieren wir uns mit Vorwürfen und Kritik.
c) Die Infrastruktur
Internetzugang
Die wichtigste Ressource beim ortsunabhängigen Arbeiten auf Reisen ist das Internet.
In Constanta hat der Eigentümer der Wohnung die geniale Geschäftsidee, das kostenlos verfügbare Internetvolumen auf 1 GB am Tag zu beschränken.
Ob das reicht?
Sicherheitshalber schalte ich das Internet am Laptop aus, wenn ich es gerade nicht brauche.
Mobile Daten
Das 4G-Netz ist in Rumänien besser ausgebaut als in Deutschland. Selbst in der transsilvanischen Pampa leuchten alle Balken und ich kann sogar im Speisewagen auf dem Weg nach Cluj Napoca ein paar Stunden arbeiten.
Das Kinderbett
Vier der fünf Wohnungen auf unserer Reise durch Rumänien kamen ohne Kinderbett daher.
Obwohl ich die Idee toll finde, haben wir zuhause kein Familienbett.
So war der unfreiwillige Umstieg aufs Familienbett ziemlich hart.
Alleine einschlafen in einem fremden Bett, aus dem ich aussteigen kann? Warum sollte ich das tun?
Also geht Mama mit schlafen.
Aber das Kind schläft nicht, sondern kaspert lieber herum.
Ist es dann endlich eingeschlafen, schläft es maximal unruhig.
Dreht sich hin und her wie verrückt. Sitzt. Fällt halb aus dem Bett heraus. Schläft es überhaupt?
Ich schlafe auf jeden Fall nicht.
Hatte ja keine Ahnung, dass M. dermaßen unruhig schläft.
Wir beschlossen: das muss geändert werden, das Kind schläft einzeln. Aber wo, wenn es kein Kinderbett gibt?
Also konstruieren wir aus Oberbetten, Decken und Kissen kleine Höhlen.
Das Fuchskind liegt überall, aber nicht in seiner Höhle.
4. Und was ist mit Urlaub?
Wann erkunden wir bei all dem Stress noch die Gegend und entspannen am Strand unter Sonnenschirmchen?
Meistens arbeiten wir bis nachmittags und gehen in der zweiten Tageshälfte los, um uns die Stadt anzusehen, spazieren oder schwimmen zu gehen.
Die Wochenenden nutzen wir für ausgedehntere Ausflüge oder Wanderungen, etwa zum wunderschön gelegenen Schloss Bran:
Ortsunabhängig arbeiten bedeutet für uns, zu leben und zu arbeiten wie zu Hause – nur an wechselnden Orten.
5. Zwischenbilanz: Ist ortsunabhängig arbeiten etwas für uns?
Auch, wenn ich zu Beginn drauf und dran war, aufzugeben:
Arbeiten von unterwegs lohnt sich auf jeden Fall!
Im Laufe unserer Reise legten sich die anfänglichen Schwierigkeiten und es gefiel uns richtig gut.
Eine simple Verabredung half mir, Blog, Arbeit, Kind und Yoga ins Gleichgewicht zu bringen.
M. genießt es sichtlich, den ganzen Tag mit Papa und Mama zusammen zu sein, durch die Gegend gefahren zu werden und neue Sachen zu probieren.
Und wir lieben es, neue Orte zu erkunden und auf nichts festgelegt zu sein.
Wir waren übrigens nur mit handlichen Rucksäcken unterwegs – Minimalismus ist eine feine Sachen beim Reisen und ortsunabhängigen Arbeiten.
6. Tipps für das ortsunabhängige Arbeiten mit Kindern
- Habe Geduld mit dir und deinem Partner. Es läuft nicht vom ersten Tag an so wie zuhause. Gebt euch Zeit und erwartet nicht zu viel auf einmal.
- Sei darauf gefasst, dass der Rhythmus deiner Kinder erst einmal durcheinander ist. In der neuen Umgebung schlafen und essen sie anders, brauchen mehr Zuwendung und Nähe.
- Plane nicht zu viel. Nimm dir die ersten Tage auf Reisen frei. Arbeiten kannst du anschließend immer noch.
- Reflektiere deine Erwartungen an den Partner (und an deine Kinder). Mach dir bewusst, was du dir wünschst und was dir fehlt. Kommuniziere deine Bedürfnisse und formuliere Kritik nicht als Vorwurf.
- Nimm dir Auszeiten! Treffe Verabredungen mit deinem Partner, um eine Stunde am Tag etwas nur für dich zu tun, sei es Lesen, Yoga, Sport, Meditation oder Spazierengehen.
Bildquellen: © Unsplash: Hari Nandakumar (Beitragsbild), Mike Bergmann (Holzeisenbahn)
Ist digitales Nomadentum etwas für dich? Kannst du dir vorstellen, ortsunabhängig zu arbeiten, vielleicht sogar mit Kindern? Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!
2 thoughts on “Ortsunabhängig arbeiten mit Kleinkind – Meine Bilanz aus 3 Wochen Rumänien”
Hallo Marion,
wir machen das ja schon eine Weile als Familie und sind mittlerweile ein eingespieltes Team. Die größte Herausforderung ist für mich immer gewesen, eine günstige Unterkunft für unsere große Familie zu finden. In manchen Ländern gibt es für das gesetzte Budget dann auch nur einen Platz, wo man sein Zelt oder seinen Camper hinstellen kann – nichts für uns. Das zweite Problem ist, eine günstige Krankenversicherung zu finden, wenn man vorhat, dauerhaft zu reisen. Mit dem Internet hatten wir meistens großes Glück. In Montenegro gab’s eine SIM-Karte mit 1000 GB / Monat. Und in der Airbnb-Wohnung in Albanien schnelles Kabelinternet ohne Beschränkung. 🙂 In Griechenland und Kroatien war es auch inklusive. Das ortsunabhängige Arbeiten an sich war also überall möglich.
Liebe Grüße
Patrick
Hallo Patrick,
ich bewundere euch, dass ihr mit vier kleinen Kindern reist und ortsunabhängig arbeitet.
Schafft ihr es eigentlich, beide gleichzeitig zu arbeiten oder wechselt ihr euch ab?
Über die Krankenversicherung habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, allerdings noch keine gute Lösung gefunden.
Was die Unterkunft angeht, habe ich gehört, dass sich über soziale Netzwerke tolle Wohnungen finden lassen, die um einiges günstiger sind als bei Airbnb – besonders, wenn man länger als ein paar Tage bleibt.
Das probieren wir auf unserer nächsten Reise mal aus. 🙂
Liebe Grüße
Marion