Du musst dich erst lieben und akzeptieren, dann kannst du auch abnehmen!
Warum mit Selbstliebe abnehmen Bullshit ist, erfährst du in diesem Artikel.
1. Mit Selbstliebe abnehmen: Die Ausgangslage
Im Netz kursieren viele Artikel, Podcastfolgen, Coaching-Programme, die dir beibringen wollen, dich selbst zu lieben
In der Abnehm-Szene wird Selbstliebe als Mittel verkauft, um abzunehmen:
„Liebe dich selber und du schaffst es endlich abzunehmen!“
„Langfristig Wohlfühlgewicht erreichen durch Selbstliebe!“
So oder so ähnlich lauten die Slogans.
Was steckt dahinter?
Das Mit-Selbstliebe-abnehmen-Mantra funktioniert angeblich so:
- Dich plagen negative Gedanken: ich schaffe es nicht, ich bin dick und hässlich, ich werde nie dünn sein.
- Du entschließt, dich zu mögen.
- Mithilfe von Affirmationen programmierst du dich um. Du denkst: ich bin toll, ich bin liebenswert, ich schaffe alles!
- Du entspannst dich. Dein Essverhalten entspannt sich
- Du nimmst ab, ganz von selbst.
Dich zu entspannen ist prima. Dein Essverhalten zu entspannen auch.
Dennoch stimmen an dem Selbstliebe-Abnehmen-Mantra gleich vier Dinge nicht.
2. Dein Essverhalten ist das Problem, nicht mangelnde Selbstliebe
Rein praktisch betrachtet: Wie soll jemand, der sich tagein, tagaus unausstehlich findest, auf einmal anfangen, sich zu LIEBEN?
Einfach, weil er:sie es so beschließt?
Einfache, einfache Welt!
Was sind die Methoden der Selbstliebe-Abnehm-Coaches?
- Du überlegst dir positive Aussagen über dich.
- Enhanced version: Du antizipierst die Zukunft: „Ich bin so glücklich und dankbar, dass ich mich liebe und schlank bin.“
- Du sagst dir diese Sätze immer wieder vor.
- Du schreibst diese Sätze auf, gern seitenweise. Gern in dein Selbstliebe-Bullet-Visionboard-Journal.
Und dann…
liebst du dich?
Steile These:
Dein größtes Problem ist nicht deine mangelnde Selbstliebe, sondern dein Verhältnis zum Essen.
Dein Essverhalten ist vermutlich gestört, sonst würdest du nicht „Selbstliebe abnehmen“ googeln.
Gestört ist nicht dasselbe wie Störung. Du denkst ständig ans Essen, hast nach dem Essen ein schlechtes Gewissen, leidest unter Heißhunger?
Dann stimmt was nicht mit deinem Essverhalten.
Aus einem gestörten Essverhalten hilft dir der Beschluss, dich ab sofort zu lieben, nicht heraus.
Reines Denken, Sätze denken und aufschreiben, reicht nicht.
Was du brauchst, sind Handlungen und Erfahrungen.


Natürlich kann es nicht schaden, dich gut zu finden, dich zu akzeptieren (siehe nächster Abschnitt).
Aber wenn du dir weiterhin verbietest zu essen, wirst du nicht weit kommen mit deiner Selbstliebe.
Die ersten Schritte sind:
- Nimm den Druck aus deinem Essverhalten. Vergiss Diäten und Essverbote. Erlaube dir, zu essen.
- Vertraue deinem Körper. Achte auf seine Signale.
- Schau hin: Nutzt du Essen als Bewältigungsstrategie für unangenehme Gefühle? Welche Bedürfnisse stillst du mit Essen?
Ich habe diese Schritte ausführlich in diesen Artikeln erläutert:
- Intuitiv essen lernen – Komplettanleitung für Anfänger:innen
- FAQ: Intuitiv essen. Abnehmen ohne Diät?
- Diäten funktionieren nicht, mach lieber das! [5 Auswege aus dem Diät-Hamsterrad]
- Intuitiv essen funktioniert nicht! Machst du diese 7 Fehler?
- Endlich normal essen: So normalisierst du dein Essverhalten und findest deine Wohlfühlernährung
- Emotionales Essen erkennen und abgewöhnen. Inkl. Test „Bist du eine emotionale Esserin?“
3. Du musst dich nicht „lieben“
Selbstliebe ist ein komisches Wort.
Klingt es nicht irgendwie abgedreht, übertrieben?
Du musst dich nicht lieben. Es reicht, es gut zu finden, dass es dich gibt.
Jens Corssen
Vielleicht schaffst du ein bisschen mehr.
Wie wäre es, wenn du anfängst, dich zu … mögen?
Weil du du bist.
Weil es dich nur einmal gibt.
Weil du einzigartig bist.
Weil du ganz bist.
Du bist… ein Wunder!
Pragmatischer veranlasst?
Probiere es einmal hiermit:
Du bist die wichtigste Person in deinem Leben.
Was geht in dir vor beim Lesen dieses Satzes?
Denkst du: „ja, aber…“?
Möchtest du widersprechen?
Rechtfertigen, dass andere Menschen wichtiger (oder genauso wichtig) sind wie du selbst?
An deiner Reaktion auf „Du bist die wichtigste Person in deinem Leben“, kannst du Glaubenssätze ablesen, die du über dich hast.
Solange du überzeugt bist, dass an erster Stelle deine Kinder, deine Eltern, deine Schüler:innen, wer auch immer stehen, dann lange nichts kommt, bevor du am Horizont der Prioritäten auftauchst, kannst du dir Selbstliebe vornehmen, so viel du willst – du wirst nichts erreichen.
Mach dich zur Priorität in deinem Leben.
Als Mutter bedeutet das, dir bewusst Zeit für dich zu nehmen.
Für alle Menschen bedeutet das, sich regelmäßig auszuruhen.*
Wann hast du das letzte Mal tagsüber einfach nur 10 Minuten lang gelegen und nichts getan, als dich zu entspannen?
*Diesen Ratschlag gibt sehr eindringlich Caroline Dooner in ihrem großartigen Buch Die-Fuck-it Diät*.
3. Du musst dich nicht lieben, UM abnehmen zu können
3.1. Selbstliebe als Mittel oder als Zweck?
Liebe dich, damit du xy erreichst!
Ist das nicht totaler Quatsch?
Willst oder kannst du dich nur lieben, um etwas zu erreichen (abnehmen zum Beispiel), wird das nicht funktionieren.
Die Motivation ist faul.
Lieben kann man nur etwas um seiner selbst willen, nicht um eines anderen Zwecks willen. Besonders, wenn es um Menschen geht.
Das ist wie mit dem Sport:
Wenn du nur Sport machst, um abzunehmen oder besser auszusehen, wird es auf Dauer keinen Spaß machen.
Du hörst nach ein paar Monaten wieder auf.
Treibst du hingegen Sport, weil du es genießt, deinen Körper zu spüren und ihn zu bewegen, wird dich niemand mehr davon abbringen können.
Sogar deine Schweinehündin wird laufen / tanzen / schwimmen lieben!
Kurzum:
Die Verbindung von Selbstliebe und Abnehmen ist toxisch.
Selbstliebe als Mittel, um abzunehmen, ist keine echte Selbstliebe.
3.2. Du kannst auch ohne Selbstliebe abnehmen
Jede Diät funktioniert für eine gewisse Zeit. Du kannst vier Wochen nur Ananas essen oder Brühe trinken und dich von ganzem Herzen hassen.
Anschließend wiegst du trotzdem weniger, wetten?
Ja, aber es geht ja um nachhaltiges Abnehmen!
Diäten funktionieren langfristig nicht. Mit einer Diät wirst du nicht „nachhaltig“ oder „langfristig“ abnehmen.
Das liegt zum einen an den Anpassungen, mit denen dein Körper auf die Nahrungsmitteleinschränkung reagiert.
- Mit niedrigerem Gewicht verringert sich dein Grundumsatz.
- Du verbrennst weniger Energie bei Bewegung und Sport.
- Dein Stresslevel steigt, dein Körper produziert Hungerhormone, was weitere Gewichtsabnahme erschwert.
- Die geringere Ausschüttung des Sättigungshormons Leptin führt dazu, dass du Sättigung nicht so gut spürst und insgesamt hungriger bist.
Dein Körper wehrt sich gegen Fettabbau – unabhängig von deinem Ausgangsgewicht.
Aber Diäten funktionieren nicht nur auf der körperlichen Ebene nicht besonders gut, auf der psychischen Ebene sind sie eine totale Katastrophe.
Warum, habe ich hier erklärt: Diäten funktionieren nicht, mach lieber das!
Das Problem sind Verbote.
Verbietest du dir etwas, kompensiert du den Mangel mit einer Ausgleichshandlung:
- Du isst mehr von anderen, „erlaubten“ Lebensmitteln.
- Du schüttest dich mit Lightgetränken voll.
- Du rauchst mehr oder fängst sogar wieder an zu rauchen.
- Du veranstaltest „Cheat Days“.
- Du hast Fressanfälle, aber „morgen fängst du wieder an“.
- Je mehr du dir verbietest, desto mehr kreisen deine Gedanken ums Essen.
Hast du schon einmal in Erwägung gezogen, dass du mehrgewichtig* oder unzufrieden mit deiner Figur bist, WEIL du Diäten machst bzw. jemals Diäten gemacht hast?
Und nicht TROTZ der Diäten?
*Damit möchte ich Mehrgewicht nicht bewerten. Es soll nicht impliziert werden, dass ein bestimmtes Gewicht gut, schlecht, wünschenswert oder nicht wünschenswert ist.
4. Du musst nicht abnehmen
Du willst also unbedingt abnehmen.
Bisher hat es nicht geklappt, also versuchst du es mit Selbstliebe. Kann ja nicht schaden, wa?
Hast du dich je gefragt, was hinter deinem Wunsch nach einer Gewichtsabnahme steht?
4.1. Nimm den Fokus weg vom Abnehmen
Belastet dich dein Essverhalten?
Hast du nach dem Essen ein schlechtes Gewissen?
Denkst du ständig ans Essen?
Dass du unbedingt abnehmen willst, ist einer der Gründe dafür.
Was passiert, wenn du den Fokus vom Abnehmen wegnimmst und stattdessen auf dein körperliches und seelisches Wohlbefinden richtest?
Nachdem ich in Sibirien mit dem Gewichtheben angefangen hatte, wollte ich jahrelang ein sichtbares Sixpack.
Dafür musste ich Körperfett reduzieren, abnehmen.
Drei Jahre Quälerei, Fressattacken, Workouts, stundenlange Cardio-Einheiten, Bulimie, Einsamkeit – für ein paar mistige Bauchmuskeln, die ich sowieso habe und die niemand sehen wird, wenn ich zehn Kilo weniger wiege, weil ich nicht bauchfrei draußen rumlaufe?
Als ich begann, intuitiv zu essen, wollte ich lernen, auf meinen Körper zu hören. Ich wollte mich gut fühlen nach dem Essen – nicht vollgestopft, müde und mit dem Gefühl, dass mir der Brokkoli aus den Ohren wieder herauskommt.
DAS war eine Motivation!
Das war es wert!
Das hat geklappt!
Ich wollte ein unbeschwertes Verhältnis zum Essen. Mein Gewicht war zweitrangig.
So sollte es auch bei dir sein, sonst kommst du von deiner Fixierung auf Essen nicht weg. Auch nicht mit Selbstliebe.
4.2. Was steht hinter deinem Wunsch abzunehmen?
Das Abnehmen ist ein Platzhalter.
Was willst du eigentlich? Was brauchst du?
Was bringt es dir, schlank zu sein?
Was versprichst du dir davon?
Anders gesagt:
Welche Funktion hat der Wunsch abzunehmen?
Hast du schon einmal abgenommen?
Wie war es?
Wie hast du dich gefühlt?
Waren deine Probleme weg?
Haben dich alle geliebt, wie du bist?
Oder war es das gleiche wie vorher, nur dass die Angst vor einer erneuten Zunahme mit im Boot saß?
Du darfst den Wunsch haben, Gewicht zu verlieren. Wir leben in einer fettfeindlichen Gesellschaft. Sich ganz frei zu machen von dem herrschenden Schlankheitskult ist vermutlich nicht möglich.
Setz dich nicht unter Druck.
Erforsche deinen Wunsch nach einer Gewichtsabnahme offen und freundlich. Verstehe, dass es nicht (allein) um die Größe deines Körpers geht.
4.3. Dicksein ist schlecht, Schlanksein ist gut?
Was verbindest du mit Dicksein?
Was mit Schlanksein?
Die Antwort findest du in deiner Kindheit.
Als ich klein war, gab es nichts Schöneres als Lob für gute Schulnoten, lange blonde Haare, Schlauheit (mit Löffeln gefressen!), schicke Klamotten.
Aber am Allerschönsten und Allerbesten waren Komplimente für meine Figur.
Oh Marion, hast du abgenommen? Siehst ja toll aus!
Das Allerschlimmste waren dann auch Bemerkungen über Zunahme:
Marion, kann es sein, dass du zugenommen hast?
Messerklingen durch meine Brust.
Wenn Übergewicht sich nicht nachteilig auf deine Gesundheit auswirkt und Diäten nicht funktionieren – welchen Sinn macht es dann noch, überhaupt über Körpergewicht nachzudenken?
Wie würdest du essen, wenn dein Gewicht egal wäre?
Wie wäre dein Verhältnis zu dir selbst, wenn dein Gewicht egal wäre?
Liebe dich nicht, um abzunehmen.
Akzeptiere dich.
Sei dankbar für deinen Körper.
Pfeif auf dein Gewicht.
5. Selbstliebe und Abnehmen: Eine Mogelpackung
Erst annehmen, dann abnehmen! 😡
Mit Selbstliebe abnehmen ist Bullshit:
- Solange du dir verbietest zu essen, wirst du mit Selbstliebe nicht weit kommen. Dein Essverhalten ist das Problem, nicht mangelnde Selbstliebe.
- Mach es nicht unnötig kompliziert. Du musst dich nicht lieben. Mache dich einfach zur wichtigsten Person in deinem Leben.
- Selbstliebe um abzunehmen – die Motivation ist faul. Außerdem kannst du auch abnehmen, wenn du dich aus vollem Herzen hasst. Kurzfristig zumindest.
- Du musst nicht abnehmen. Das funktioniert eh nicht. Willst du deine Zeit sinnvoll einsetzen? Dann frag dich, was hinter deinem Wunsch nach einer Gewichtsabnahme steht. Schließe Frieden mit deinem Körper.
Was ist deine Meinung zum Thema Selbstliebe und Abnehmen? Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!
1 Kommentar zu “Selbstliebe als Bedingung, um abzunehmen? Mogelpackung!”