Minimalismus passt in viele Lebensbereiche, aber Sport?
Wenn es einen perfekten Sport für Minimalisten gibt, dann ist es Ashtanga Yoga.
Was Ashtanga Yoga ist und warum du mit Ashtanga nicht nur stark, ausdauernd und beweglich, sondern auch achtsamer und zufriedener wirst, verrate ich dir in diesem Beitrag.
1. Was ist Ashtanga Yoga?
Wenn du schon einmal (irgendeine Form von) Yoga gemacht hast, kennst du das großartige Gefühl danach. Nach einer Einheit Ashtanga Yoga fühle ich mich, als wäre ich eine Stunde gelaufen, hätte ein heißes Bad genommen und mich massieren lassen – alles gleichzeitig!
Ashtanga Yoga ist Meditation in Bewegung.
Es wurde für Nicht-Mönche entwickelt, die nicht den ganzen Tag Zeit haben, um Yoga zu machen und zu meditieren.
Das Besondere an Ashtanga ist die Einheit von Blick (Drishti), Atem und Bewegung.
Jeder Bewegung ist eine Blickrichtung zugeordnet. Ein- und Ausatmen sind mit den Bewegungen synchronisiert. Die einzelnen Posen (Asanas) sind durch fließende Bewegungen (Vinyasas) verbunden. Du kannst es dir wie eine Choreografie vorstellen.
Die Einheit von Blick, Atem und Bewegung führt zu einer Fokussierung auf den Moment. Wer sich darauf konzentriert, seine Oberschenkelmuskeln und den Beckenboden anzuspannen, gleichzeitig den Blick nach vorne zu richten und fünfmal tief ein- und auszuatmen, hat wenig Kapazitäten für Gedanken an die Bügelwäsche oder den nachmittäglichen Arztbesuch übrig.
Was Ashtanga Yoga zu einem intensiven, muskelaufbauenden Workout macht, sind die Vinyasas zwischen den Asanas.
Ein Vinyasa besteht aus den Posen Chaturanga Dandasana, Upward-Facing Dog (Urdhva Mukha Svanasana) und Downward-Facing Dog (Adho Mukha Svanasana).
Klassischerweise wird Ashtanga an fünf oder sechs Tagen in der Woche praktiziert.
Insgesamt gibt es sechs Serien. Anfänger beginnen mit der ersten Serie, der sogenannten Primary Series.
Bei vielen dauert es mehrere Jahre, bis sie von der ersten zur zweiten Serie übergehen können.
In diesem Video siehst du, wie K. Pattabhi Jois, einer der Väter des modernen Yoga, die erste Serie anleitet.
Die Abfolge der Yogapraxis ist immer dieselbe:
- Sonnengruß A (Surya Namaskara A)
- Sonnengruß B (Surya Namaskara B)
- Basis-Sequenz
- Erste, zweite, dritte… Serie
- Abschlusssequenz
- Shavasana („Leichenhaltung“, Entspannungsphase, bei der man mit geschlossenen Augen auf dem Rücken liegt)
Im traditionellen Ashtanga gibt der Lehrer dem Yogi die Asanas. Jeder folgt der Serie nur so weit, wie er (aufgrund der Einschätzung des Lehrers) körperlich und mental dazu in der Lage ist.
Nach eineinhalb Jahren regelmäßiger Ashtanga-Praxis bin ich nun in der Lage, im halben Lotussitz zu sitzen. Erst, wenn meine Hüften so flexibel geworden sind, dass ich den vollständigen Lotussitz (Padmasana) einnehmen kann, werde ich auch Asanas aus der zweiten Hälfte der Primary Series praktizieren.
2. Was Ashtanga Yoga mit deinem Körper macht
Ashtanga vereint Kraft, Beweglichkeit und Ausdauer.
Auch wenn es sich bei Yoga nicht um einen Ausdauersport handelt, bauen die täglichen Sonnengrüße und die Vinyasas eine ganz anständige Ausdauer auf.
Die meisten Fortschritte wirst du allerdings bei Kraft und Beweglichkeit machen. Ashtanga ist ein Ganzkörpertraining, das alle Muskeln in deinem Körper fordert – von Armen und Schultern, über Rücken und Bauch hin zu Po und Beinen. Selbst meine Füße sind kräftiger geworden.
Nicht nur Muskeln sind wichtig, sondern auch Flexibilität. Was nützt mir das schönste Bizeps-Relief, wenn ich nicht zwei Minuten in der tiefen Hocke oder im Schneidersitz auf dem Boden sitzen kann?
Eine hohe Beweglichkeit in Kombination mit starken Muskeln sorgt für ein tolles Körpergefühl und schützt vor Gebrechlichkeit im Alter.
Mein Körper hat sich in eineinhalb Jahren regelmäßiger Ashtanga-Praxis sehr verändert. Dass ich stärker und beweglicher geworden bin, merke ich daran, dass mir die halben Liegestütze (Chaturanga Dandasana) viel leichter fallen als am Anfang. (Zu Beginn bin ich nach drei Sonnengrüßen mehr oder weniger auf den Bauch gesackt, statt mich auf meine Arme zu stützen). Ich kann bequem mit untergeschlagenen Beinen sitzen, beim Vornüberbeugen die Handflächen auf den Boden legen und selbst die Brücke, eine Haltung, die ich eine Zeitlang regelrecht fürchtete, macht mir nun keine Schwierigkeiten mehr.
Aber die Veränderungen finden nicht nur auf physischer Ebene statt:
Je mehr du dich mit Ashtanga beschäftigst, umso besser lernst du deinen Körper kennen, sowohl auf anatomischer als auch auf praktischer Ebene. Du lernst, Muskeln und Muskelgruppen zu unterscheiden und verstehst Zusammenhänge zwischen Anspannen eines Muskels und Entspannung des anderen.
Außerdem verbessert Ashtanga Yoga das Körperbewusstsein. Ich merke zum Beispiel schneller als früher, wenn sich eine Erkältung anbahnt. Die positive Auswirkung von Yoga auf mein Hunger- und Sättigungsgefühl habe ich hier beschrieben.
3. Ashtanga braucht nur Ashtanga
Fast alle Sportarten beanspruchen deinen Körper einseitig. Laufen stärkt die Ausdauer, wirkt sich aber nachteilig auf die Beweglichkeit der Hüfte aus. Krafttraining stärkt deine Muskeln, macht aber ebenfalls steif. Läufer und Kraftsportler versuchen, diesen Effekten zu entgehen, indem sie Stabilitätsübungen bzw. Cardio-Einheiten in ihr Training einbauen.
Yoga ist für alles gut, nichts ist für Yoga gut.
Mit Ashtanga schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe und bist nicht auf Ergänzungstraining angewiesen.
4. Ashtanga Yoga ist ein Ritual
Ashtanga findet vor allem im Inneren statt. Es ist eine Stunde, die ich ganz für mich habe. In der ich allein mit mir bin.
Ich rolle die Matte aus und weiß: Das mache ich jetzt nur für mich. Jetzt gibt es nur mich.
Besonders für Eltern ist das ein kostbare und wichtige Erfahrung.
Ashtanga Yoga hat mich dazu gebracht, früh aufzustehen und den Morgen zu nutzen. Anfangs aus zeitökonomischen Gründen (ich bin anschließend zur Arbeit gefahren und abends gab es keine Kurse), mittlerweile stehe ich gern um halb 6 auf.
Ashtanga hilft mir, die Energien der Tageszeiten besser zu verstehen und mich nach meinen eigenen zu richten.
Klingt esoterisch?
Du kennst sicher Menschen, die morgens aktiv sind und solche, die abends zur Höchstform auflaufen.
Wenn du ein Abendmensch bist, dich aber zwingst, morgens produktiv zu sein, wirst du dir nichts Gutes tun.
Ayurveda, die Schwesterlehre des Yoga, erklärt, warum es toll ist, vor 22 Uhr schlafen zu gehen und wieso es uns schwerfällt, zwischen 4 und 6 Uhr morgens wiedereinzuschlafen.
Studien zufolge machen Rituale glücklicher und zufriedener.
5. Ashtanga und Minimalismus
Ashtanga Yoga ist der perfekte Sport für Minimalisten:
- Ashtanga ist überall und zu jeder Zeit praktizierbar.
- Für Ashtanga brauchst nur eine Yogamatte (und ein Yogahandtuch, wenn du viel schwitzt).
- Du benötigst wenig Kleidung. Männer praktizieren Ashtanga in kurzer Hose und mit freiem Oberkörper, Frauen tragen oft nur einen Sport-BH und eine Leggings.
Ich mache Ashtanga in kurzer Hose und Sporttop. Davon besitze ich jeweils zwei:
6. Die inneren Werte
Akzeptanz
Viele, die mit Ashtanga beginnen, sind ambitioniert und streben nach Erfolg und Perfektion. Sie vergleichen sich mit anderen und sind frustriert, wenn alle die Beine hinter dem Kopf verschränken können, nur sie nicht.
Ashtanga Yoga ist eine Übung in Akzeptanz. Du lernst, dass du etwas nicht schneller erreichst, nur weil du es willst.
Dein Körper bestimmt, was geht und was nicht. Eine Stimme, auf die wir leider viel zu selten hören.
Fehler machen
Wenn du in einem Studio Yoga machst, lernst du, unter ständiger Beobachtung zu praktizieren. Für eher introvertierte Menschen kann das durchaus eine Herausforderung sein. In meinen ersten Yogakursen im Fitnessstudio fürchtete ich mich regelrecht davor, dass die Lehrerin meine Haltung korrigiert. Heute bin ich dankbar dafür.
Disziplin
Tagein, tagaus immer wieder dieselbe Abfolge von Yogaposen auszuführen, erfordert Disziplin. Aber nur zu Beginn.
Etwa nach einem Jahr wich die Disziplin dem Bedürfnis. Hatte ich einen oder zwei Tage kein Yoga gemacht, sehnte ich mich fast nach dem Atmen, der fließenden Bewegung und dem Einssein mit mir selbst.
Männer
Okay, nicht wirklich ein innerer Wert, aber dennoch toll: Ashtanga wird von Männern und Frauen gleichermaßen praktiziert.
7. Fazit: Ashtanga ist der perfekte „Sport“ für Minimalisten
Warum ist Ashtanga Yoga der perfekte Sport für Minimalisten?
Hier eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte:
- Ashtanga macht dich gelenkig, stark und ausdauernd.
- Ashtanga macht dich besser in anderen Sportarten.
- Du wolltest immer schon mit dem Meditieren anfangen oder mehr meditieren? Mit Ashtanga schlägst du zwei Fliegen mit einer Klappe, denn Ashtanga ist Meditation in Bewegung.
- Ashtanga lehrt dich, zu akzeptieren, was ist.
- Ashtanga stärkt dein Körpergefühl.
- Praktiziere regelmäßig Ashtanga Yoga und du nimmst dir automatisch Zeit für dich.
- Du kannst Ashtanga an jedem Ort und zu jeder Zeit praktizieren.
- Kaum Equipment: Für Ashtanga Yoga brauchst du nur eine Yogamatte, ein Handtuch und zwei Sport-Outfits.
8. Internetseiten über Ashtanga Yoga
Möchtest du mehr über Ashtanga Yoga erfahren? Ich habe ein paar interessante und informative Seiten rund um Ashtanga für dich zusammengestellt:
- Ashtanga Yoga Info
AIY ist DIE Seite zu Ashtanga Yoga. Hier findest du die ersten drei Serien, ausführlich bebildert und als Spickzettel zum Herunterladen, Online-Yogastunden, Übungsvideos, Yoga-Philosophie, Quelltexte und vieles mehr. - Ashtanga Yoga Plus
Hintergrundinformationen für Einsteiger und Fortgeschrittene, Meditation und Atemtechniken, zahlreiche Links zu Ashtanga-Studios und zu Seiten international bekannter Ashtanga-Lehrer. - Ashtanga Yoga Girl
Natalie schreibt spannende und gut verständliche Artikel (auf Englisch) rund um Ashtanga Yoga. - Ashtanga Dispatch
Englischsprachiger Blog und Podcast mit vielen inspirierenden Interviews. - Kennst du einen guten deutschsprachigen Blog über Ashtanga Yoga? Dann verlink ihn gern in den Kommentaren!
Bildquellen: © Unsplash: Ginny Rose Stewart (Beitragsbild), Conscious Design (sitzende Vorbeuge), Benjamin Child (Lotussitz), wee lee (Kissen), Artem Beliaikin (Krieger), Hans Vivek (Kerze), Rahul Kashyap (Mann vorbeugend sitzend), Juan Miguel Agudo (Matten)
Machst du auch Yoga? Was gefällt dir daran? Hast du Ashtanga Yoga schon einmal ausprobiert? Ich bin gespannt auf deinen Kommentar!
1 thought on “Minimalismus & Yoga: Warum Ashtanga Yoga der perfekte Sport für Minimalisten ist”